DIN EN61439-5 regelt Nachweiserbringung für Kabelverteilerschränke

DIN EN61439-5 regelt Nachweiserbringung für Kabelverteilerschränke

Schaltgerätekombinationen in öffentlichen Energieverteilungsnetzen

Im Fokus des vierten Teils der SSB-Normenreihe stehen die spezifischen Anforderungen für Niederspannungsverteilungen in öffentlichen Energieverteilungsnetzen – verbindlich geregelt in der DIN EN61439 Teil 5. Nach einer Übergangsfrist ist die Norm seit September 2017 in Deutschland bindend und regelt die Verteilung elektrischer Energie im Dreiphasensystem. In diese Kategorie der Niederspannungsverteilungen – im Normentext auch PENDAs (Public Electricity Network Distribution Assemblies) genannt – fallen alle geschlossenen Schaltgerätekombinationen, deren Aufstellung ortsfest innen oder außen erfolgt und deren Bemessungsspannung 1.000V nicht überschreitet.

 Die DIN EN61439-5 verpflichtet Schaltanlagenbauer, nur solche Produkte zu verbauen, die deren Anforderungen erfüllen und deren Überprüfung lückenlos dokumentiert und nachgewiesen ist. (Bild: Schneider Electric GmbH)

Bild 1 | Die DIN EN61439-5 verpflichtet Schaltanlagenbauer, nur solche Produkte zu verbauen, die deren Anforderungen erfüllen und deren Überprüfung lückenlos dokumentiert und nachgewiesen ist.(Bild: Schneider Electric GmbH)

Wie alle Werke der Deutschen Industrienorm dient auch diese dem Schutz von Mensch und Maschine. Zu diesem Zweck wurden neben Betriebsbedingungen und Bauanforderungen auch technische Merkmale definiert, welche die reibungs- und gefahrenlose Funktion der Schaltgerätekombination gewährleisten. Im Mittelpunkt von Teil 5 der DIN EN61439 stehen Kabelverteilerschränke, die häufig im Outdoor-Bereich eingesetzt werden. Besonders bei der Stromversorgung im Freien sind schon bei der Planung die vielfältigen Umweltbedingungen zu berücksichtigen: Die Gehäuse können stark schwankenden Temperaturen, aufwirbelndem Staub, leichter Feuchtigkeit oder starkem Regen ausgesetzt sein und sind je nach Aufstellungsort sogar in Betonsockeln verankert. Um sicherzustellen, dass das Material diesen Umweltbedingungen und Anforderungen standhält, sind diverse Prüfungen und Nachweise erforderlich.

 

 

 Der Schaltanlagenbauer ist für die Gewährleistung der Normenkonformität gegenüber den Kunden verantwortlich sowie für die Einhaltung der Bauartnachweise des ursprünglichen Herstellers. (Bild: Schneider Electric GmbH)

Bild 2 | Der Schaltanlagenbauer ist für die Gewährleistung der Normenkonformität gegenüber den Kunden verantwortlich sowie für die Einhaltung der Bauartnachweise des ursprünglichen Herstellers. (Bild: Schneider Electric GmbH)

Verantwortung von Herstellern und ursprünglichen Herstellern

Besonders für den Schaltanlagenbauer ist die DIN EN61439-5 von größter Bedeutung. Denn er verpflichtet sich, nur solche Produkte zu verbauen, die deren Anforderungen erfüllen und deren Überprüfung lückenlos dokumentiert und nachgewiesen ist. Die Verantwortlichkeiten sind hier klar geregelt: Die Norm unterscheidet zwischen dem Hersteller und dem ursprünglichen Hersteller der Schaltgerätekombination. Demnach ist der Hersteller derjenige, der eine betriebsfertige Kombination für eine Kundenanwendung herstellt und in Verkehr bringt – also der Schaltanlagenbauer. Er ist für die Gewährleistung der Normenkonformität gegenüber den Kunden verantwortlich sowie für die Einhaltung der Bauartnachweise des ursprünglichen Herstellers. Unter die Bauartnachweise fallen insgesamt 35 Merkmale, anhand derer die technischen, baulichen oder thermischen Eigenschaften des Materials wie auch die Verteilung des Stroms und dessen Absicherung geprüft werden (siehe Beispiel Stoßfestigkeit im Kasten). Darüber hinaus ist der Schaltanlagenbauer für die Bemessung der Energieschaltgerätekombinationen (PSC, Power Switchgear Combination) entsprechend den vom Kunden ausgeschriebenen Nenndaten zuständig. Außerdem steht der Schaltanlagenbauer in der Pflicht, die Kennzeichnung und Dokumentation der Anlage sachgemäß durchzuführen und einen Stücknachweis, eine Auflistung aller integrierten Komponenten, zu erbringen. Konfiguriert der Schaltanlagenbauer alle Teile und Komponenten in Eigenverantwortung, muss er alle 35 Merkmale eigenständig prüfen, dokumentieren und die schriftlichen Nachweise hierfür erstellen, da die Gültigkeit der vom ursprünglichen Hersteller erbrachten Bauartnachweise in solchen Fällen erlischt.

Beispiel der Merkmalsprüfung ‘Schlagfestigkeit’
Insbesondere bei Kabelverteilerschränken, die für den Außenbereich geplant sind und hohen Temperaturschwankungen unterliegen, ist die Schlagfestigkeit und damit die Robustheit des Gehäuses immens wichtig. Der Prüfungsaufbau ist in der Norm detailliert festgelegt und muss nahtlos dokumentiert werden. Die Norm sieht vor, dass zur Prüfung eine Stahlkugel von zwei Kilogramm Masse an einem Pendel befestigt wird. Dieses Pendel ist an einem mindestens einem Meter langen Rohr angebracht. Aus einer Höhe von einem Meter wird die Kugel fallen gelassen, sodass sie einen Schlag auf die Oberfläche der Schaltgerätekombination verursacht. Diese Prüfung wird zwei Mal hintereinander durchgeführt: Das erste Mal bei einer Umgebungstemperatur zwischen 10 und 40°C, nachdem das Prüfobjekt diesen Umgebungsbedingungen mindestens zwölf Stunden ausgesetzt war. Der zweite Durchlauf erfolgt bei gleicher Umgebungstemperatur, jedoch unmittelbar nachdem das zu prüfende Gerät für zwölf Stunden einer Temperatur von – 25°C ausgesetzt war. Lassen sich beide Male nach Temperaturschwankungen und Fall der Kugel die Türen ungehindert öffnen und haben sich die Luftstrecken nicht unzulässig verringert, ist die Übereinstimmung der Bauart mit den Anforderungen der Norm nachgewiesen – die Prüfung zum Nachweis der Bauart gilt als bestanden.
 (Bild: Schneider Electric GmbH)

(Bild: Schneider Electric GmbH)

Kosteneinsparungen durch Systemlösungen

Diese ganzen Prüfverfahren stellen einen enormen Aufwand für den Schaltschrankbauer dar. Anders bei Systemlösungen: Denn hier steht der ursprüngliche Hersteller in der Prüf-, Dokumentations- und Nachweispflicht. Mithilfe von vorkonfigurierten, kompletten Schaltgerätekombinationen – wie beispielsweise den Verteilerschränken von ABN oder dem System Geyer von Schneider Electric – lässt sich der Aufwand zur Nachweiserbringung deutlich reduzieren. Hier obliegt die Prüf-, Dokumentations- und Nachweispflicht dem ursprünglichen Hersteller, sodass der Schaltanlagenbauer keine extrem aufwendigen Prüfungen in eigens errichteten Testlaboren und kontrollierten Prüfumgebungen (siehe Kasten 2) erbringen muss. Das spart Zeit, Personal und senkt die Herstellungskosten für den Kunden um ein Vielfaches.

 

Aufwendige Prüfumgebungen sichern Ergebnisse
Ob Hersteller oder ursprünglicher Hersteller – damit die Normenkonformität gegenüber dem Kunden sichergestellt ist, werden zahlreiche detaillierte
Prüfungen mit entsprechender Dokumentation durchgeführt. Diese sogenannten Bauartnachweise bestätigen die Übereinstimmung der
Bauart der Kabelverteilerschränke mit den Anforderungen der Norm anhand verschiedener Einzelnachweise und können auf drei Arten erfolgen:
• Elektrische, mechanische und thermische Prüfungen an repräsentativen Mustern
• Messung oder Ableitung von einer geprüften Referenz oder Berechnungen
• Erfüllung von Konstruktionsregeln wie festgelegten Maßen oder Tabellenwerten
Die Aufwände hierfür sind enorm: Um die insgesamt 35 Merkmale genauestens überprüfen zu können, sind kontrollierte Prüfumgebungen zwingend
erforderlich. Beispielsweise muss die Temperatur im Prüfraum exakt regelbar sein und Witterungsbedingungen wie saurer Regen oder
Frost müssen möglichst realitätsgetreu nachgestellt werden können. Neben den technischen Voraussetzungen der Labore muss auch das Personal
fachgerecht für die komplexen Prüfungen geschult sein, d.h. , die Mitarbeiter müssen hohe Normen- und Produktkompetenz mitbringen.

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