Maschinenstillstände vermeiden

Hohe Packungsdichte und thermodynamische Problemzonen

Maschinenstillstände vermeiden

Bauteile und Leistungselektronik werden immer kleiner und effizienter und immer mehr Komponenten werden auf engerem Raum verbaut. Weil sich jedoch die Wärmeverlustleistung nicht im selben Maße verringert, nimmt die Wärmeentwicklung im Schaltschrank kontinuierlich zu.

 Verdrahtungsrückseite mit Airblower-Lüfter und Airblade-Luftleitelementen (Bild: Friedrich Lütze GmbH)

Verdrahtungsrückseite mit Airblower-Lüfter und Airblade-Luftleitelementen (Bild: Friedrich Lütze GmbH)

Moderne Industrieelektronik ist in der Regel äußerst robust konstruiert und konzipiert und widersteht z.B. Vibrationen oder Schwing- und Schockprüfungen problemlos. Auch können moderne Komponenten und Systeme auf einfache Art so konstruiert werden, dass weder Feuchte noch Nässe eindringen kann. Hitze hingegen ist nach wie vor der große Feind jeglicher Elektronik. Ein Wirkungsgrad von über 90 Prozent ist bei modernen elektronischen oder elektrischen Geräten Standard. Deshalb kann man heute auch vermehrt kompakte und verdichtete Bauweisen anwenden. Der Platzbedarf je installiertes Watt wird zunehmend geringer. Analog zur bewährten LED-Beleuchtungstechnik ist zwar die Energieeffizienz dank hohem Wirkungsgrad sehr groß, die Hitze konzentriert sich aber auf einen eng begrenzten Bereich und kann dort sehr hohe und dadurch kritische Werte erreichen. Die kompakte Bauweise ergibt zudem auch weniger Oberfläche, was zu einer geringeren Wärmeabgabe an die Umgebung führt. Dadurch steigt die Gefahr von Wärmenestern bzw. Hot-Spots, welche sich mit zunehmender Packungsdichte noch verschärft. Bereits bei der Entwicklung des kanallosen Verdrahtungssystems durch Lütze vor über 40 Jahren, lag das Hauptaugenmerk auf zwei entscheidenden Vorteilen: Einerseits der markante Platzgewinn von 30% durch den Wegfall von Kabelkanälen und andererseits die Unterstützung der natürlichen Konvektion durch Verringerung von strömungsberuhigten Zonen. Eine weitere thermodynamisch wichtige Eigenschaft von kanallosen Verdrahtungssystemen ist die klare Aufteilung in eine Montage- und eine Verdrahtungs- bzw. Kabelführungsebene. Lütze verfolgt seither das Ziel, die stetige Weiterentwicklung seines Systems zur Schaltschrankverdrahtung hinsichtlich optimaler Platzausnutzung und verbesserter Thermodynamik voranzutreiben. Zahlreiche Forschungsprojekte in Form von Analysen, Feldversuchen und Simulationen, in enger Kooperation mit dem Institut für Thermodynamik und Wärmetechnik der Universität Stuttgart und dem Frauenhofer-Institut, haben klar aufgezeigt: Durch die Kombination von Aufteilung in eine vordere (Montage/Komponenten) und eine hintere Seite (Verdrahtung/Kabelführung) und den Wegfall insbesondere der horizontal angebrachten Kabelkanäle, wird eine Zirkulationsströmung erst ermöglicht, bzw. die natürliche Konvektion angeregt und unterstützt. Dieser positive Effekt zeigt sich auch ohne aktive Kühlung und ist messbar. Wird ein Klimagerät eingesetzt, so wird die Effizienz der Kühlung ebenfalls messbar erhöht.

Platzgewinn, was nun?

30 Prozent Platzgewinn dank kanallosem Verdrahtungssystem ist erheblich und wirkt sich kostensenkend aus, von der Größe des Schrankes bis hin zu den Transportkosten. Das ist verlockend, nicht nur für den Hardware-Konstrukteur. Die Hohe Packungsdichte in einem kleineren Gehäuse bedingt jedoch eine größere Kühlleistung, welche kostentreibend ist und sich negativ auf die Energieeffizienz auswirkt. Durch eine gezielte Positionierung von großen Wärmelasten nahe dem Kühllufteintritt können zwar die thermodynamischen Probleme etwas entschärft, aber kaum behoben werden. Gleiches gilt, wenn die Platzierung der Komponenten konsequent nach Verlustleistungen optimiert wird. Der Schaltschrankplaner kann aber auch einen umgekehrten Ansatz verfolgen, indem er zumindest einen Teil des gewonnenen Platzes für eine sogenannte aufgelockerte Packungsdichte nutzt. Dadurch werden strömungsberuhigte Zonen vermieden oder zumindest verringert. Die natürliche Konvektion wird unterstützt oder weniger behindert und die Kühlleistung kann reduziert werden.

Die 2. Generation der kanallosen Verdrahtung

Die systembedingten Vorteile von kanallosen Verdrahtungssystemen erhalten mittlerweile durch die 2. Generation des Lütze-Systems, dem patentierten Airstream-System, zusätzlichen Auftrieb. Die gewölbten Profile erhöhen einerseits die Torsionsfestigkeit, ohne Zusatzaufwand können so schwerere und auch größere Komponenten auf der DIN-Schiene montiert werden. Zudem werden die installierten Bauteile optimiert dem kühlenden Luftstrom ausgesetzt und hinterlüftet. Konkret heißt das, dass wärmekritische Bauteile mit großer Verlustleistung und entsprechend hoher Wärmeangabe, wie z.B. Frequenzumrichter oder Netzgeräte, mit Airstream einfach und gezielt gekühlt werden können. Mit dem zum Airstream-System gehörenden Luftleitelement Airblade kann ein Teil des Luftstromes direkt zu den Komponenten mit grosser Verlustleistung umgelenkt werden. So kann die Lebensdauer (MTBF) oder die Effizienz (kein De-Rating) der Komponenten erhöht werden.

Klimamanagement in der Praxis – Beispiel Automobilindustrie

Durch die oben beschriebene erhöhte Packungsdichte und den damit verbundenen thermischen Problemen kommt es in Fertigungsanlagen in der Industrie immer wieder zu teuren Stillstandzeiten. Ein Grund hierfür sind Komponenten, die durch zu hohe Temperaturbelastungen ausfallen oder gar zerstört werden. Ein konkretes Fallbeispiel aus dem Automobilbau zeigt eindrücklich die Möglichkeiten diese Probleme zu umgehen: Die Firma KLN Ultraschall ist ein Spezialist für Planung und Bau von Anlagen im Bereich der Kunststoffverbindungstechnik. KLN mit Sitz in Heppenheim beschäftigt am deutschen Standort derzeit rund 200 Mitarbeiter und konzentriert sich dabei auf Ultraschallschweißen, Vibrationsschweißen, Heizelementschweißen, Rotationsschweißen sowie thermische Verfahren. Ein Großteil der Kundschaft sind Endkunden aus der Automobilindustrie. Für die Lieferung einer Ultraschallschweißanlage für die Herstellung von Kraftstoffbehältern für PKW sollten dabei nach Vorgabe des Kunden aus Wolfsburg die Schaltschränke mit dem Verdrahtungssystem Airstream aufgebaut werden. Zum Airstream-Systemgedanken gehört die ausführliche Beratung mit dem Ziel eines optimierten Schaltschrankklimas. Somit sind auch Anwender mit wenig System-Erfahrung von Anfang an in der Lage alle thermischen Vorteile des Systems voll auszuschöpfen. Im konkreten Fall wurde KLN so schon sehr früh bei der Schaltschrankplanung unterstützt.

 Enthitzung durch Zirkulationsströmung (Bild: Friedrich Lütze GmbH)

Enthitzung durch Zirkulationsströmung (Bild: Friedrich Lütze GmbH)

Thermisch optimierte Platzierung

So sollten unter den Gesichtspunkten der Funktionalität, aber auch hinsichtlich der Wärmeentwicklung insbesondere Komponenten mit großer Verlustwärme so platziert werden, dass eine gegenseitige Erwärmung der Bauteile möglichst vermieden wird. Eine weitere Anforderung war die Reduzierung der Schaltschrankhöhe aufgrund der baulichen Gegebenheiten vor Ort von 2.000mm auf 1.800mm. Das Airstream-Raumgewinnpotential von rund 30 Prozent gegenüber der Montagetafel erlaubte die problemlose Erfüllung dieser Vorgaben und sorgte so für jede Menge Spielraum beim Schaltschrankaufbau hinsichtlich der thermischen Optimierung der Bauteile.

Planung und Simulation

Die Planung der Verdrahtungsrahmen erfolgte mit dem online verfügbaren Airstream-Konfigurator. Dieser beinhaltet alle für den Rahmenaufbau notwendigen Standardkomponenten, was eine schnelle Umsetzung der Zeichnung ermöglichte. Danach wurden für die insgesamt 6 Schaltschränke mithilfe des Airtemp-Wärmesimulators die zu erwartenden Innentemperaturen ermittelt. Aufgrund der vom Endkunden vorgegebenen hohen Umgebungstemperatur von bis zu 45°C war schnell klar, dass die Verwendung von Klimageräten unumgänglich sein würde. Zur besseren Abführung von Verlustwärme über das Schaltschrankgehäuse wurde darüber hinaus zusätzlich in jedem Schrank ein Airblower-Lüfter eingeplant. Dieser ist eine Lüftereinheit, die in Kombination mit dem Schaltschrankverdrahtungssystem Airstream genutzt werden kann. Der Lüfter wird möglichst weit oben im Rahmen auf der Rückseite montiert. Mit einem Luftvolumen von mehr als 500m³/h drückt er die warme Luft nach unten, anschließend steigt diese auf der Vorderseite wieder nach oben. Dabei wird über die Wände des Schaltschrankes permanent Temperatur nach außen abgegeben. Innerhalb weniger Minuten entsteht so ein homogenes Schaltschrankklima, Wärmenester werden aufgelöst. Der Lüfter wird dabei nur nach Bedarf zugeschaltet. In den Schaltschränken der Schweißanlage wurde darüber hinaus mit Airblade-Luftleitelementen punktuell Luft aus dem Luftstrom von der Rückseite nach vorne gebracht, um so die Temperatur an Geräten mit hoher Wärmeentwicklung zusätzlich reduzieren zu können. Durch den Einsatz des Systems konnten Anzahl und Leistung der Klimageräte auf ein Minimum reduziert werden. Der Airblower selbst verfügt dabei über eine geringe Verlustleistung von nur 15W. Die Verwendung des Verdrahtungssystems Airstream in Kombination mit einer thermisch optimierten Platzierung der Komponenten und unter Verwendung des Airblower-Lüftersystems stellt im Automobilbau mittlerweile eine technisch ausgereifte Lösung für eine optimierte Verteilung bzw. Abfuhr der Wärmeverlustleistung im Schaltschrank dar. Bei Schaltschränken kann dadurch die benötigte Kühlenergie deutlich reduziert und Maschinenstillstand durch Überhitzung vermieden werden.

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