Elektrische Pitchsysteme für On- und Offshore-WEA
Mehr Leistung auf’s Blatt
Auf die Entwicklung hin zu immer größeren Rotorblättern für Windenergieanlagen (WEA) müssen Hersteller von elektrischen Pitchsystemen reagieren. Neue Konzepte tragen nicht nur den höheren Leistungsanforderungen von On- und Offshore-Anlagen bei vergleichsweise geringerem Platzangebot in der Rotornabe Rechnung, sondern erfüllen auch die Erwartungen der WEA-Hersteller an eine zunehmend einfache Integration von Blattverstellsystemen in bestehende Anlagendesigns.
Größer dimensionierte Rotorblätter bedeuten in erster Linie höhere Lasten, die die Motoren und somit die Antriebsregler eines elektrischen Pitchsystems bei der Blattverstellung bewältigen müssen. Die Frequenzumrichter neuer Antriebssysteme müssen daher zum Verfahren der Blätter höhere Nennströme sowohl im Regulärbetrieb einer Anlage als auch bei Spitzenlasten zur Verfügung stellen. Immerhin dient ein elektrisches Pitchsystem als Hauptbremsaggregat einer WEA, mit dem die Rotorblätter bei einer Störung oder einem Netzausfall zuverlässig aus dem Wind gedreht werden. Beim Erreichen der Nennlast einer WEA reguliert das Pitchsystem zudem über das Verfahren der Rotorblätter den Leistungseintrag, wodurch eine Überdrehzahl der Anlage unter Volllast vermieden wird.
Bis zu dreifacher Nennstrom bei Spitzenlasten
Vor dem Hintergrund der gestiegenen Anforderungen an elektrische Pitchsysteme durch neuere Anlagengenerationen hat SSB Wind Systems für Onshore-WEA im Leistungsbereich von 3 bis 4-MW und mit Rotordurchmessern von bis zu 140m den PPD 40 (PPD: Perfect Pitch Drive) entwickelt. Der Frequenzumrichter liefert einen dauerhaften Nennstrom von 40A und bei WEA-Notfahrten (Spitzenlast) einen bis zu dreifachen Spitzenstrom von 120A. Der PPD 65 wurde hingegen für den Einsatz in Offshore-WEA der 6- bis 8MW-Klasse und Rotordurchmessern von bis zu 180m konzipiert. Dieser Umrichter stellt für die Blattverstellung einen dauerhaften Nennstrom von 65A und einen Spitzenstrom von 200A bereit. Zusätzlich zur Bewältigung höherer Lasten müssen insbesondere Offshore-Pitchsysteme weitere Anforderungen erfüllen. Die Motoren des neuen Pitchsystems von SSB Wind Systems für den Offshore-Einsatz verfügen aus diesem Grund über einen sehr hohen Schutz gege n korrosive Belastungen und atmosphärische Korrosion gemäß DIN EN ISO12944-2. Analog hierzu entsprechen die Motoren der sehr hohen Korrosivitätskategorie C5-M für den Einsatz in Küsten- und Offshore-Bereichen mit hoher Salzbelastung.
Höhere Leistungsdichte bei geringerem Bauraum
Trotz der gestiegenen Leistungsanforderungen an die Umrichter von elektrischen Pitchsystemen hat sich das Platzangebot in der Rotornabe, gemessen an den aktuellen Anlagenleistungen, aufgrund eines kosteneffizienteren Materialeinsatzes beim WEA-Design nicht vergrößert. Die Schaltschränke für die einzelnen Rotorblattachsen müssen somit im Vergleich zu früheren Systemen auf eine sehr kompakte Integration aller wesentlichen Funktionen eines Blattverstellsystems ausgelegt sein. Eine höhere Leistungsdichte bei vergleichsweise geringerem Bauraum ist aber nur realisierbar, wenn die Umrichter eine Reihe an Funktionen übernehmen, für die in der Vergangenheit verschiedenste und aus heutiger Sicht zusätzliche Module mit einem gewissen Platzbedarf im Schaltschrank benötigt wurden. Der PPD 40 und der PPD 65 übernehmen daher bereits solche Funktionen und damit z.B. die Zwischenkreisladung und die Ansteuerung sowie Überwachung der Motorbremse. Darüber hinaus integrieren die Umrichter z.B. das Netzteil, das Ladegerät für den Backup-Speicher, den Netzspannungswächter, den Backup-Spannungswächter, die Überwachung der Motortemperatur und die Temperatursteuerung. Das Ergebnis dieses ‚All-in-One‘-Systemkonzeptes führt zu einem sehr kompakten 3-Schrank-Design in der Rotorblattnabe, das überdies auch die Notstromversorgung (Batterien oder UltraCaps) als Backup des elektrischen Pitchsystems bei einem Netzausfall aufnimmt.
Intelligente Schnittstelle vereinfacht Systemintegration
An elektrischen Pitchsystemen für neuere WEA-Generationen sind neben den gestiegenen Leistungsanforderungen einige zusätzliche Erwartungen hinsichtlich der Kommunikationsfähigkeit mit der übergeordneten WEA-Steuerung verknüpft. Mit dem PPI (PerfectPitch Interface) schafft SSB Wind Systems daher eine intelligente Schnittstelle, die die Kommunikationsprotokolle aller gängigen Bussysteme beherrscht und darüber hinaus viele Potenziale für ein erweitertes Condition-Monitoring (z.B. Störungsmeldungen, Langzeitaufzeichnungen, Übermittlung des Bremsenstatus etc.) ausschöpft. Mit dem Ziel einer einfachen Integration von elektrischen Pitchsystemen in unterschiedlichste Anlagendesigns bietet das PPI als sogenannter Pitch-Controller außerdem eine offene Plattform für WEA-Hersteller zur Programmierung und damit Implementierung sehr individueller, anlagenspezifischer Funktionen. Das PPI fungiert hierbei im Wesentlichen als ‚front-end‘ zu den Umrichtern des Pitchantriebs. Kundenspezifische Anpassungen des Blattverstellsystems werden somit nur noch über den Pitch-Controller vorgenommen, was die Inbetriebnahme des Gesamtsystems deutlich vereinfacht und auch beschleunigt.
Zentrales Interface für die Antriebsregelung
Die Funktion des PPI als zentrale Kommunikationsschnittstelle innerhalb des elektrischen Pitchsystems birgt außerdem einige Vorteile im Hinblick auf Wartungs- und Instandhaltungseinsätze an WEA. Während solcher Einsätze sind Serviceteams in der Lage, sich mit einem PC über den Pitch-Controller direkt auf das Pitchsystem aufzuschalten. Auf diese Weise lassen sich über eine einzige Schnittstelle z.B. Firmware- oder Parameter-Updates für alle Umrichter vornehmen oder spezifische Parameter des Blattverstellsystems abrufen. Servicefreundlichkeit heißt aber auch, sich anbahnende Probleme oder schon eingetretene Betriebsstörungen schnell und gezielt zu beheben, um ungeplante WEA-Stillstandszeiten zu vermeiden bzw. zu reduzieren. Bei WEA an Offshore-Standorten ist das besonders wichtig, da hier Serviceeinsätze in der Regel mit einem hohen Planungs- sowie Zeitaufwand verbunden sind und sich dringende Instandhaltungs- bzw. Reparaturmaßnahmen außerdem durch schlechte Witterungsbedingungen verzögern können. Steht im Zuge eines Serviceeinsatzes in einer On- oder Offshore-Anlage z.B. einmal der Austausch eines Umrichters an, ist es nicht notwendig, die Parameter manuell einzustellen und zu kontrollieren, da die zentralen Betriebsparameter des Antriebsreglers schon im PPI hinterlegt sind und von hier automatisch übertragen werden. Last, but not least erhöht der Controller zudem die allgemeine Betriebssicherheit des Pitchsystems, da das Interface u.a. auch falsche Einstellparameter der Umrichter automatisch identifiziert.