Neues Rolllager, Zukunftsthemen und Hemmschuhe

Neues Rolllager, Zukunftsthemen und Hemmschuhe

Die Weichen für das neue Jahrzehnt sind gestellt

Mit dem Bau des neuen Rolllagers hat die Firma Jean Müller in Eltville die Weichen für das neue Jahrzehnt gestellt. Geschäftsführer Rainer Berthold stellte die Neuinvestition ausgewählten Vertretern der Fachpresse vor, ging bei der Gelegenheit auf das zurückliegende Geschäftsjahr, vor allem aber auf wichtige Zukunftsthemen auf dem Gebiet der Energieverteilung ein. Schließlich benannte der Unternehmensleiter auch einige Hemmschuhe, die aus seiner Sicht die deutsche Elektroindustrie in ihrer Entwicklung behindern.

Das Investitionsvolumen für das neue Rolllager betrug rund zwei Millionen Euro, die Bauzeit drei Monate. (Bild: Jean Müller GmbH Elektrotechnische Fabrik)

Wie der Geschäftsführer mitteilte, betrug das Investitionsvolumen rund zwei Millionen Euro und die Bauzeit drei Monate. Die Größe des Lagers beträgt jetzt 24x30m, wobei 24x24m auf den Neubau entfallen. Die Höhe wird mit 5,50m angegeben. Insgesamt erhöht sich das Fassungsvermögen auf 5.200 Stellplätze für Gitterboxen und Euro-Paletten. In den verschiedenen Bahnen können je Bahn 18 Boxen oder Paletten untergebracht und bei Kurzbahnen zwischen fünf und sieben Stellplätze bestückt werden. Auf vier weiteren Bahnen ist eine variable Bestückung möglich. Im Außenbereich werden zwei Regale für Sonderpaletten über die gesamte Länge errichtet. Des Weiteren befindet sich ein Rückführband für die leeren Paletten und Boxen in dem neuen Lager. Es werden hauptsächlich Produkte für die Fertigung eingelagert, wie z.B. Kontaktabdeckungen und Trägerteile. Berthold sieht in dieser Investition eine Stärkung des Standortes Eltville mit Jean Müller als einem der größten Arbeitgeber im Rheingau, gemeinsam mit einer dazugewonnenen Flexibilität in der Logistik, die für mehr Kundenzufriedenheit sorgen soll.

PLMulti-II ist ein multifunktionales, über die Modbus RTU Schnittstelle fernauslesbares, mehrkanaliges Messgerät. (Bild: Jean Müller GmbH)

Klimapaket eröffnet große Chancen

Anders als in anderen Branchen blickt Jean Müller trotz abgekühlter Konjunktur auf ein gutes Geschäftsjahr zurück. Hinsichtlich der Arbeitnehmerseite konstatiert Berthold jedoch ein eher verhaltenes Interesse an metallverarbeitenden Berufen: „Trotz der wahrlich nicht schlechten Einkommensmöglichkeiten, die durch das seit Mitte 2019 zusätzlich erhältliche tarifliche Zusatzgeld nochmals verbessert wurden, verzichten immer mehr Mitarbeiter auf Geld und entscheiden sich lieber für flexiblere Arbeitszeiten und mehr Freizeit. Dies macht für Arbeitgeber die Planung nicht unbedingt einfacher“, bemerkt der Geschäftsführer, der dennoch optimistisch in die nahe Zukunft blickt. „Grundsätzlich ist das von der Bundesregierung beschlossene Klimapaket für alle, die sich mit der Stromverteilung beschäftigen, förderlich, und ich sehe die deutsche Elektroindustrie als sehr gut aufgestellt, um die Herausforderungen zu bewältigen und die Energiewende positiv zu gestalten“, zeigt sich Berthold überzeugt. Dies gehe jedoch nicht auf Knopfdruck und erfordere eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung, bei der die Energieversorger ihre Gewinne in am Markt bereits vorhandene Lösungen investieren müssten und Betroffene nicht bei jedem Windrad, das in ihrer Nähe errichtet werden soll, eine Bürgerinitiative gründen dürften. Technisch gesehen ginge es vor allem darum, die Stromverteilung im Sinne des Smart Grid intelligenter zu machen, also mit entsprechender Messtechnik auszustatten. Um verstärkt Produkte in diese Richtung zu entwickeln, wurde bei Jean Müller die Belegschaft im Geschäftsbereich Elektronik in jüngster Zeit verdoppelt, so Berthold. Erste aus diesen Anstrengungen hervorgegangene Lösungen wurden im vergangenen Jahr auf der Hannover Messe vorgestellt. Hierzu gehört etwa das Energie-Monitoring-Modul PLPlano für Lastschaltleisten sowie das multifunktionale Schalttafel-Einbaumessgerät PLMulti-II. Beide Produkte wurden in der SCHALTSCHRANKBAU Ausgabe 3/2019 ausführlich vorgestellt. Ähnlich wichtig wie die Hardware, erachtet der Geschäftsführer des Eltviller Unternehmens die Bereitstellung eines Dienstleistungsportfolios, um Kunden bei der Implementierung neuer Produkte sowie bei der Installation von Gateways zu Drittanbietern kompetent unterstützen zu können. Zurzeit werden diese Dienstleistungen bei Jean Müller vor allem seitens der Energieversorger, aber auch von kritischen Infrastruktureinrichtungen wie Krankenhäusern und Rechenzentren nachgefragt.

PLPlano eignet sich für alle Applikationen in Industrie und Gebäudetechnik, in denen Daten und Informationen im Hinblick auf das Energiemanagement gesammelt werden sollen. (Bild: Jean Müller GmbH Elektrotechnische Fabrik)

Landstromversorgung für Binnenschiffe

Ein weiteres Thema, dessen sich der Spezialist für Energieverteilung angenommen hat, ist die Stromversorgung von Flusskreuzfahrtschiffen, während diese im Hafen liegen. Früher war hierzu der Betrieb von schiffseigenen Dieselgeneratoren nötig, was eine erhebliche Umweltbelastung nach sich zog. In Zusammenarbeit mit dem Kölner Energieversorger RheinEnergie hat Jean Müller auf Basis der bewährten Gehäusetechnik einen automatisierten Anschlussschrank entwickelt, welcher es den Schiffen ermöglicht, während der Liegezeiten Strom aus dem Niederspannungsverteilnetz zu beziehen, so dass die Generatoren abgeschaltet werden können. Der Schrank ist via GPRS mit einem Back-End verbunden, so dass ein autorisierter Kunde sich mittels App anmelden und ohne weitere Vor-Ort-Unterstützung durch den Energieversorger anschließen kann. Die bezogene Energie wird vor Ort gemessen und, ebenfalls automatisiert, an den Versorger zurückgemeldet und kann so kilowattstundengenau abgerechnet werden.

 

Rainer Berthold: Rainer Berthold: „Teilweise sind Patente Technologie-Verhinderer, da Lösungen geschützt werden, die Unternehmen dann nicht zu Markt tragen und auf sich beruhen lassen.“ (Bild: Jean Müller GmbH Elektrotechnische Fabrik)

Blockadethemen

Bei aller Zuversicht, die Rainer Berthold hinsichtlich der Innovationsfreude der deutschen elektrotechnischen Industrie an den Tag legt, benennt er auch einige Hemmschuhe, die Entwicklungen unnötig behinderten. Einer davon besteht seiner Ansicht nach darin, dass Ausschreibungen nicht selten Produktspezifikationen enthielten, die zur Erfüllung des Applikationszweckes gar nicht notwendig wären und weit über das Ziel hinaus reichten. Gewöhnlich würde das Zugrundelegen der einschlägigen Normen völlig ausreichen. Viel hilfreicher sei es daher zu definieren, wie sich Komponenten in einem konkreten Anwendungsfall verhalten sollten. Ein weiteres Thema, das der Geschäftsführer kritisch sieht, ist die inflationäre Anmeldung von Patenten: „Gerade die deutsche Industrie ist ja häufig sehr stolz auf die hohe Anzahl der Produkte, die sie zum Patent anmeldet. Teilweise sind Patente aber auch Technologie-Verhinderer, da Lösungen geschützt werden, die Unternehmen dann nicht zu Markt tragen und auf sich beruhen lassen. Anderen Firmen wird so aber die Möglichkeit genommen, vergleichbare Entwicklungen voranzutreiben und potenziellen Anwendern zur Verfügung zu stellen“, so Berthold. Ein weiterer Dorn im Auge ist ihm der vielfach immense bürokratische Aufwand für Unternehmen, die sich an Forschungsprojekten beteiligen möchten. Seiner Erfahrung nach würden viele Firmen daher von einer Beteiligung Abstand halten. Ein Grund dafür, dass die teilweise finanziell üppig ausgestatteten Fördertöpfe für Forschungsvorhaben bei weitem nicht ausgeschöpft würden. „Auf diese Weise werden nicht Innovationen, sondern die Verwaltung gefördert“, so Berthold abschließend. (jwz)

Das könnte Sie auch Interessieren

Bild: Schneider Electric GmbH
Bild: Schneider Electric GmbH
Praxiserprobt

Praxiserprobt

Nach erfolgreicher Testphase sind beim Kölner Energieversorger RheinEnergie klimafreundliche Mittelspannungsschaltanlagen Teil des regulären Netzbetriebs. Seit August 2022 arbeitet das Unternehmen mit der RM AirSet von Schneider Electric, einer gasisolierten Ringkabelschaltanlage, die ganz ohne Fluorgase auskommt. Nach erfolgter EU-weiter Ausschreibung hat der Energieversorger unter anderem Schneider Electric mit der Lieferung von weiteren Schaltanlagen dieser Art beauftragt.

Bild: Sedotec GmbH & Co. KG
Bild: Sedotec GmbH & Co. KG
Technische Standards gegen Fachkräftemangel

Technische Standards gegen Fachkräftemangel

Knapp 60 Prozent des Stroms wurden 2023 durch Erneuerbare Energien erzeugt. Weniger als ein Viertel davon durch Photovoltaik. Das könnte viel mehr sein. Der Wille ist auch bei vielen Unternehmen da. Jedoch gibt es neben individuellem „Bastelaufwand“ mit langen Genehmigungsverfahren und schließlich auch durch den Fachkräftemangel große Hürden. Das könnte sich nun ändern. Denn Sedotec schafft mit geprüften Feldtypen eine sichere, schnell zu installierende und nachhaltige Standardlösung zur Einspeisung selbst erzeugter Energie – nicht nur aus der Sonne.

Bild: ABB
Bild: ABB
Neue Reihenschaltschränke

Neue Reihenschaltschränke

Die neuen TriLine C Schränke sind nicht nur auf den Ausbau mit CombiLine N Modulen, Montageplatten oder Traversensystemen abgestimmt, mit drei Schrankoptionen und jeweils vier Innenausbauvarianten bieten sie außerdem eine große Vielfalt an Möglichkeiten für den Schaltanlagenbau.