„Offene Standards sind der Schlüssel“

AmpereSoft feiert erfolgreiche Dekade am CAE-Markt

„Offene Standards sind der Schlüssel“

Die Firma AmpereSoft feiert in diesen Tagen ihren zehnjährigen Geburtstag. Ohne Frage ein stolzes Alter für ein Softwareunternehmen. Seit der Firmengründung haben wir viele Trends und technische Entwicklungen erlebt und selbst mitgestaltet. Wie die meisten Segmente der Digitalwirtschaft steht auch der CAE-Markt derzeit vor großen Herausforderungen. Vor allem die zunehmende Vernetzung in der Produktion treibt die Weiterentwicklung der Lösungen derzeit. Doch wo muss die Branche konkret ansetzen, damit die vierte industrielle Revolution bald Wirklichkeit wird?

Automatisierte Planung von Schaltanlagen mit CAE-Software ProPlan von AmpereSoft. (Bild: Mangelberger Elektrotechnik GmbH)

Automatisierte Planung von Schaltanlagen mit CAE-Software ProPlan von AmpereSoft. (Bild: Mangelberger Elektrotechnik GmbH)

So manches Industrieunternehmen mag über ein zehnjähriges Jubiläum lächeln. Als Anbieter einer CAE-Software ist AmpereSoft jedoch stolz, eine ganze Dekade am Markt erfolgreich bestritten zu haben. Die Erfolgsgeschichte begann Ende 2007, als wir uns mit AmpereSoft selbstständig machten. Zuvor waren die anderen Gründer und ich als Abteilung ‚Competence Center Engineering‘ bereits viele Jahre bei Elektrotechnik Moeller tätig. Damit verfügen wir unabhängig von AmpereSoft über 20 Jahre Branchen-Know-How. Der Schritt in die Selbstständigkeit war damals entscheidend, um zahlreiche Innovationen auf den Weg zu bringen. Nicht länger mussten wir bei der Entwicklung unserer CAE-Tools nur die Bedürfnisse eines Unternehmens im Blick haben, sondern standen vor einer ganz neuen Herausforderung: Unsere Lösungen sollten allen Anwendern von CAE-Software entscheidende Mehrwerte bieten. Dabei fanden wir eine durchaus schwierige Marktlage vor, die bis heute noch für den deutschen Markt kennzeichnend ist. Er ist gesättigt. Wer vergleichsweise frisch auf den Markt drängt, hat es in Deutschland schwer, an den etablierten großen Anbietern vorbeizukommen. Wir machten aus der Not eine Tugend und richteten unseren Blick von Beginn an auch auf ausländische Märkte.

Roboter-gestützte und vollautomatisierte Laserbeschriftung bei der Mangelberger Elektrotechnik. (Bild: Mangelberger Elektrotechnik GmbH)

Roboter-gestützte und vollautomatisierte Laserbeschriftung bei der Mangelberger Elektrotechnik. (Bild: Mangelberger Elektrotechnik GmbH)

Lösungen in 90 Ländern im Einsatz

Eine konstante Internationalisierung war der Schlüssel zu unserem Erfolg. Inzwischen vertrauen Anwender aus 90 verschiedenen Nationen auf unsere Tools. Bei einem derart aufgefächerten Markt sind natürlich Standards unentbehrlich. Entsprechend setzen wir uns schon seit vielen Jahren für die Etablierung und Weiterentwicklung von eCl@ss Advanced, einem branchenübergreifenden Standard für Produktdaten, ein. Erst offene Standards wie dieser ermöglichen es, dass CAE-Prozesse reibungslos über Länder- und Standortgrenzen hinweg funktionieren – und das unabhängig von der eingesetzten Software. Neben der internationalen Ausrichtung war die modulare Konzeption unseres ToolSystems ein entscheidender Erfolgsfaktor. Zusätzlich zu unserem Detail-Engineering-Tool ProPlan besteht unser Produktportfolio aus einer Reihe nahtlos angebundener Speziallösungen. Diese automatisieren flankierende Prozesse des Engineering-Prozesses wie z.B. die zeitraubende Kostenkalkulation von Projekten oder auch das Erstellen von Ausschreibungen. Besonders interessant ist hierbei die Entstehungsgeschichte unserer Lösung TemperatureCalculator. Sie zeigt, wie politische Entscheidungen die Marktentwicklung beeinflussen können: Als 2014 die europäische Norm DIN EN 61439 in Kraft trat und die sicherheitstechnischen Anforderungen für Niederspannungs-Schaltanlagen regulierte, war die Verunsicherung bei den Planern von Schaltschränken spürbar. Vor allem die exakt vorgegebenen Dokumentationspflichten stellten viele Ingenieure vor eine enorme Herausforderung. Mit dem TemperatureCalculator haben wir auf die damals neue Situation reagiert und ein Tool entwickelt, das nicht nur die Wärmeberechnung innerhalb einer Schaltanlage samt aller benötigten Variablen automatisiert durchführt. Die Lösung setzt auch die komplizierten Dokumentationsnachweise ohne Dazutun des Anwenders um.

Offene Standards als Wegbereiter für Industrie 4.0

Laut des Digitalverbandes Bitkom nahm der mit Industrie 4.0 erwirtschaftete Gewinn im deutschen Markt vergangenes Jahr um ein Fünftel zu und betrug absolut etwa 5,8 Milliarden Euro. Für 2018 geht der Bitkom von sogar sieben Milliarden aus. Dennoch lassen sich die wirtschaftlichen Potenziale von Industrie 4.0 erst voll ausschöpfen, wenn alle Produktdaten in einem offenen Standard vorliegen. Nehmen wir z.B. die durch Roboter gestützte Produktion: Liegen keine weiterführenden Informationen in einem standardisierten Format vor, ist immer noch der Mensch notwendig, um diese händisch zusammenzutragen und in die Software der Fertigungsroboter einzupflegen. Solche Produktdaten umfassen beispielsweise essentielle Informationen wie Längenmaße oder auch Materialeigenschaften wie das Verhalten bei Erwärmung. Erst durch diese Informationen sind vollständig automatisierte Prozesse bei der Produktion möglich. Und das ist keinesfalls Utopie: Bereits jetzt übernimmt einer unserer Kunden Positionsdaten bei der robotergestützten Fertigung seiner Produkte automatisiert und zeigt damit schon heute, wie die Smart Factory Wirklichkeit werden kann – vorausgesetzt die nötigen Informationen liegen in einem offenen Standard vor. Das Potenzial standardisierter Daten erschöpft sich für den CAE-Markt aber keinesfalls im Produktionskontext. Auch integrierte und hochkomplexe Projekte profitieren davon. Beispielweise engagieren wir uns innerhalb der Forschungsgruppe ‚ServiceFlow‘ der Technischen Universität Dresden. Ziel dieser Kooperation ist die Entwicklung einer offenen Dienstleistungsplattform entlang der gesamten Wertschöpfungskette von Smart Buildings. Hierbei ist die größte Herausforderung die nahtlose Zusammenarbeit von Architekten und Elektroingenieuren. So müssen etwa die Informationen, wo später die Bedieneinheiten für die smarte Beleuchtung entlang laufen und welche Wärmeentwicklung diese mit sich bringen, bereits bei der architektonischen Planung berücksichtigt werden. Auch hierbei sind letztlich Standards wie eCl@ss Advanced unerlässlich.

Stefan Mülhens, Geschäftsführer bei AmpereSoft (Bild: AmpereSoft GmbH)

Stefan Mülhens, Geschäftsführer bei AmpereSoft (Bild: AmpereSoft GmbH)

 

Herr Mülhens, zehn Jahre sind für ein Unternehmen nicht notwendigerweise eine lange Zeit, gemessen an den Innovationszyklen im Software-Bereich allerdings ein halbe Ewigkeit. Wie hat sich Ihre Arbeitsweise innerhalb dieser Dekade gewandelt?

Stefan Mühlens: Ja, das ist richtig: Es ist und bleibt nichts so beständig wie die Veränderung. Nach der Gründung von AmpereSoft haben wir uns mit voller Kraft daran gemacht, in unserem Unternehmen alle Anwendungen und Dienstleistungen herstellerunabhängig zu gestalten. Das hat sich über die Jahre als ausgesprochen wichtig und marktgerecht erwiesen. Dann haben wir unsere gesamten Daten und Schnittstellen auf nationale und internationale Standards ausgerichtet. Das bedeutet z.B., dass wir intensiv die detaillierten eCl@ss Advanced-Daten der Produkte einsetzen – für ein ausgesprochen schnelles Engineering und für die automatisierte Fertigung. Eine echte Pionierleistung unseres Unternehmens. Und das ist noch lange nicht das Ende: Im nächsten Schritt werden die gesamtem Projektdaten nach AutomationML beschrieben und offen ausgetauscht. Damit werden wir auch hier gemeinsam mit Marktbegleitern den Standards gegenüber den proprioritären Formaten zum Durchbruch verhelfen.

Was sind die gegenwärtigen Top-Themen bei Software-Lösungen für den Schaltschrankbau?

Mühlens: Natürlich ist die automatisierte individuelle Fertigung, oft als Industrie 4.0 bezeichnet, das große Thema, das vor allem von den innovativsten Schaltanlagenbauern mit unglaublicher Intensität vorangetrieben wird. Das wiederum macht die offenen Standards für die Daten und den Datenaustausch zu einem unvermeidlichen Begleiter der zugehörigen Prozesse.

In Zeiten fortschreitender Digitalisierung und Industrie 4.0 werden von Anwendern möglichst offene Software-Tools gefordert. Wie stellen Sie diese Offenheit bei AmpereSoft sicher?

Mühlens: Wenn wir von „offenem Datenaustausch“ sprechen, meinen wir, dass wir hierfür offene Standards verwenden. Sie können von jedem gelesen, verstanden und weiterverarbeitet werden. Proprioritäre Formate haben keine Zukunft, das ist allen Markbeteiligten bewusst. Und wird übrigens auch von den europäischen Regulierungsbehörden in unserem Umfeld immer mehr als kritischer Faktor gesehen.

Gibt es unter den führenden Software-Anbietern gemeinsame Anstrengungen im Hinblick auf offene Standards, und wie sehen diese ggf. aus?

Mühlens: Ja, die gibt es. Und das ist auch gut so, denn alleine kann und will AmpereSoft den Markt nicht verändern. Standards können niemals in egoistischem Vorgehen entstehen. Sie sind immer ein Ergebnis von gemeinsamen Abstimmungen. Das ist manchmal anstrengend und zeitintensiv – aber das Ergebnis lohnt sich! Ein Beispiel hierfür ist der eCl@ss CAx Arbeitskreis, in dem alle führenden CAE-Hersteller und einige bedeutende Komponentenhersteller an einem Tisch sitzen.

Wie beurteilen Sie derzeit die Qualität der in den einschlägigen Datenbanken vorhandenen Daten?

Mühlens: Oft geht es nur darum, Daten von möglichst vielen Produkten von möglichst vielen Herstellern anzubieten. Das ist natürlich erst einmal nicht schlecht, aber ein wirklicher Mehrwert durch das Beschleunigen des Engineerings und die zuverlässige Anwendbarkeit der Daten in der automatisierten Fertigung entsteht erst mit dem hohen Detaillierungsgrad von standardisierten Produktdaten wie in eCl@ss Advanced. Und die Hersteller freuen sich, dass sie ihre Produktdaten nur einmal und in nur einem Standard liefern müssen.

Was wird Sie im kommenden Jahrzehnt bei der Entwicklung neuer Lösungen am meisten beschäftigen?

Mühlens: Wie auch in der Vergangenheit wird die Arbeit in unserem Unternehmen auch in Zukunft immer angetrieben sein von den Anforderungen unserer Anwender. Heute sind dies viele spannende Themen im Umfeld von Industrie 4.0 – und da ist noch lange kein Ende in Sicht. Manches werden wir selber innovativ vorantreiben, anderes wird sich aus Themen wie z.B. ‚Augmented Reality‘ und ‚künstlicher Intelligenz‘ ergeben. In Forschungsprojekten beschäftigen wir uns zudem bereits mit sogenannten Smart Services, also digitalisierten ’schlauen‘ Dienstleistungen. Auch das wird spannend für das zukünftige Engineering.

(jwz)

 

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