Störlichtbögen wirkungsvoll verhindern

Störlichtbögen wirkungsvoll verhindern

Sicherheitsvorkehrungen sind bereits in der Planungs- und Projektierungsphase zu berücksichtigen

Störlichtbögen können explosionsartig zerstörerische Kräfte freisetzen. Damit stellen sie eine große Gefahr für Menschen und Anlagen dar. Um teure Anlagenausfälle, Brände und Personenschäden zu verhindern, sind bereits bei der Planung und Projektierung geeignete Schutzmaßnahmen vorzusehen. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über die wichtigsten Auslöser von Störlichtbögen, die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen sowie über die zu erfüllenden Kriterien geprüfter Anlagen.

 Beispiel für einen Störlichtbogen ohne Schutz (Bild: Hager Vertriebsgesellschaft mbH & Co. KG)

Beispiel für einen Störlichtbogen ohne Schutz (Bild: Hager Vertriebsgesellschaft mbH & Co. KG)

Pro Jahr sind in Deutschland etwa 250 Störlichtbogenunfälle zu verzeichnen, wobei rund 40 Prozent davon zu Schäden an der Anlage führen. Die häufigsten Ursachen für Störlichtbögen sind neben zu geringen Luft- und Kriechstrecken sowie Überspannungen häufig auch Fehler bei Montage, Wartung und Arbeiten an Anlagen unter Spannung. Weitere Auslöser sind eine zu hohe Packungsdichte der Geräte oder auch überlastete Sammelschienen.

Passive und aktive Schutzmaßnahmen

Oberstes Schutzziel bei der Planung und Projektierung einer Schaltanlage ist es, die Entstehung und das unkontrollierte Ausbreiten von Störlichtbögen zu verhindern. Dazu sind zwei Arten des Störlichtbogenschutzes geeignet: der aktive und der passive. Der passive Schutz soll die Entstehung eines Lichtbogens verhindern, beziehungsweise die Wahrscheinlichkeit der Entstehung eines Störlichtbogens reduzieren. Der aktive Schutz bezieht sich auf einen bereits entstandenen Störlichtbogen. Dieser soll durch geeignete Maßnahmen auf den Entstehungsort begrenzt bleiben und benachbarte Funktionseinheiten und Räume einer Schaltanlage nicht beeinträchtigen. So stellt in der Planungs- und Projektierungsphase bereits die Wahl der inneren Unterteilung (Bauform 1, 2b und 4) bei der Auslegung der Anlage einen Anlagenschutz dar, da auf diese Weise innerhalb der Funktionsräume (Sammelschienenraum, Geräteraum und Kabelanschlussraum) das Eindringen fester Fremdkörper verhindert wird. Damit wird die Wahrscheinlichkeit der Entstehung eines Störlichtbogens begrenzt und ein Ausbreiten in benachbarte Funktionseinheiten verhindert. Aber auch die geeignete Auswahl der Geräte beziehungsweise der Kurzschluss-Schutzeinrichtung kann die Folgen eines Störlichtbogens begrenzen. So schalten Leistungsschalter mit Nennströmen von 630A in einer sehr geringen Zeit von 30ms ab. Sinnvoll ist auch der Einsatz strombegrenzender Sicherungen, die ebenfalls sehr schnell reagieren und so mögliche Folgen mindern. Führende Hersteller bieten entsprechende Komponenten für einen hohen Anlagen- und Personenschutz an.

Sonderprüfungen unter Störlichtbogenbedingungen

Hager beispielsweise bietet für diese Aufgabe das bauartgeprüfte Hochstromsystem unimes H sowie ein umfangreiches Programm an Schutz- und Schaltgeräten. Eine zusätzliche Störlichtbogensicherheit von Niederspannungsanlagen wird durch das Absolvieren einer Sonderprüfung unter Störlichtbogenbedingungen nach IEC 61 641 bzw. VDE 0660 Teil 500 Beiblatt 2 dokumentiert. Wichtig: Diese Prüfung ist keine Bauartprüfung, sondern eine Sonderprüfung, die zwischen Anwender und Hersteller zu vereinbaren ist. Dabei erfolgt die Zündung eines Lichtbogens durch einen Zünddraht zwischen den Außenleitern an Punkten mit den höchsten Auswirkungen. Ziel ist es, die Auswirkungen eines Störlichtbogens sowohl hinsichtlich des Personenschutzes als auch hinsichtlich des Anlagenschutzes so klein wie möglich zu halten. Dies wird durch die Einhaltung verschiedener Prüfkriterien hinsichtlich des Personenschutzes und hinsichtlich des Anlagenschutzes sichergestellt.

Maßnahmen im Personenschutz

Im Bereich des Personenschutzes sind insgesamt fünf Kriterien zu erfüllen. So dürfen sich gesicherte Türen oder Abdeckungen beim Auftreten eines Störlichtbogens nicht öffnen und Teile, die eine Gefährdung verursachen könnten, dürfen nicht wegfliegen. Außerdem dürfen in der äußeren Umhüllung keine Löcher entstehen, vertikal vor der Anlage angebrachte Indikatoren dürfen sich nicht entzünden und der Schutzleiterstromkreis für berührbare Teile der Umhüllung muss nach der Prüfung noch funktionsfähig sein. Beim Anlagenschutz ist nachzuweisen, dass der Störlichtbogen im definierten Bereich – als beispielsweise in einem Feld oder Fach – verbleibt und dass keine Neuzündung in den angrenzenden Bereichen erfolgt. Sinnvollerweise wird dazu die Form 2-4 der inneren Unterteilung zur Definition der Bereiche genutzt. Zudem wird geprüft, ob nach der Störungsbeseitigung beziehungsweise dem Abtrennen des definierten Bereichs ein Notbetrieb möglich ist.

Zerstörungen im Schaltschrank durch einen Störlichtbogen.(Bild: Hager Vertriebsgesellschaft mbH & Co. KG)

Zerstörungen im Schaltschrank durch einen Störlichtbogen.(Bild: Hager Vertriebsgesellschaft mbH & Co. KG)

Herstellerspezifische Schutzmaßnahmen

Für einen hohen Störlichtbogenschutz müssen beim Auftreten eines Störlichtbogens in erster Linie die hohen Temperaturen und der dadurch entstehende explosionsartige Druck in Schach gehalten werden. Um dies zu erreichen, hat beispielsweise Hager seine Schränke des Systems unimes H innen mit zusätzlichen Isolierungen versehen. Darüber hinaus sorgen spezielle Störlichtbogen-Engstellen dafür, dass der Störlichtbogen zu diesen Engstellen geführt wird, um dort kontrolliert abzubrennen. Auf dem Oberteil der Gehäuse montierte Druckentlastungsklappen lassen den Druck aus der Anlage entweichen. Mit einem zusätzlichen Rückwandschutz wird zudem ein Durchglühen der Rückwand verhindert.

Fazit

Die Möglichkeit eine Niederspannungsschaltanlage ganz oder teilweise freizuschalten, hängt im Wesentlichen ab von der Art der zu versorgenden Verbraucher und der Nutzung des Gebäudes. So können zum Beispiel EDV-Anlagen, Rechenzentren, Intensivstationen oder industrielle Prozesse nicht unterbrochen werden, ohne dass dies zu Störungen, gefährlichen Zuständen oder finanziellen Verlusten führt. Vor allem in sensiblen Bereichen ist die Verfügbarkeit einer NS-Schaltanlage daher von entscheidender Bedeutung. Deshalb sollte bereits in der Planungsphase zwischen dem Betreiber und Hersteller der Schaltgerätekombination die Anforderungen an den Störlichtbogenschutz festgelegt werden. Denn ein effektiver Schutz lässt sich für alle Anwendungen mit vertretbarem Aufwand realisieren und schützt im Fall eines Störlichtbogens vor hohen Folgekosten in Form von Personen- und Sachschäden.

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