Wann besteht eine Anpassungspflicht an die DIN EN 61439?

Wann besteht eine Anpassungspflicht an die DIN EN 61439?

Sowohl in gewerblichen als auch in industriellen Anwendungen sind Niederspannungs-Schaltgerätekombinationen wichtige Schnittstellen im Niederspannungsverteilnetz. Zusammen mit dem Kabelnetz bilden sie die Grundlage der elektrischen Infrastruktur und sind in der Regel für eine Nutzungsdauer von 20–30 Jahren konzipiert. Über diesen langen Zeitraum besteht häufig die Notwendigkeit, die Schaltgerätekombinationen an veränderte Betriebsbedingungen anzupassen, etwa wenn verbaute Schaltgeräte defekt sind, im Rahmen der üblichen Wartung ausgetauscht werden müssen oder eine Integration moderner Steuerungs- oder Kommunikationstechnologien erfolgen soll. Wann aber besteht bei diesen Änderungen eine Anpassungspflicht an die neue DIN EN 61439? Antworten hierauf gibt Rudolf Cater, Leiter des Fachkreises Niederspannungsschaltanlagen im ZVEI und im Vorstand des ZVEI-Fachbereichs Schaltgeräte, Schaltanlagen, Industriesteuerungen.

SSB: Herr Cater, wann sprechen wir von einer Änderung an einer bestehenden Niederspannungs-Schaltgerätekombination?

Rudolf Cater: In der Regel gehen wir davon aus, dass es typischerweise drei unterschiedliche Arten von Änderungen an bestehenden Schaltgerätekombinationen geben kann: Zum Beispiel der Austausch einzelner Schaltgeräte oder Funktionseinheiten in einer Niederspannungs-Schaltanlage, der Austausch kompletter Felder innerhalb einer Anlage und die Erweiterung mit einzelnen Funktionsbaustein oder einem kompletten Schrankfeld.

SSB: Besteht denn in jedem dieser genannten Fälle eine Anpassungspflicht gemäß DIN EN 61439?

Cater: Entscheidend für eine solche Anpassungspflicht ist die Frage, ob eine Schaltanlage im Rahmen dieser Modifikation einer geänderten Nutzung zugeführt werden soll.

SSB: Was ist damit konkret gemeint?

Cater: Eine veränderte Nutzung ist beispielsweise dann gegeben, wenn im Rahmen einer Änderung die Bemessungs- bzw. Kurzschlussströme der Anlage erhöht wurden, größere Schaltgeräte mit höheren Bemessungs- oder Kurzschlussströmen zum Einsatz kommen oder PV-, BHKW- oder elektrische Speicher hinzugebaut werden. Ebenfalls besteht Handlungsbedarf, wenn die Schaltanlage keiner zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme gültigen Schaltanlagennorm entspricht, wie zum Beispiel der DIN VDE 0660, Teil 500.

SSB: Was ist denn generell bei einer Änderung an einer Niederspannungs-Schaltanlage zu beachten?

Cater: Zunächst einmal ist darauf zu achten, dass für alle Neubauten die aktuell gültige Norm verwendet wird. Außerdem muss sichergestellt werden, dass die Vorgaben des Herstellers der bestehenden Schaltanlage beachtet werden. Im Hinblick auf Ersatzgeräte oder auszuwechselnde bzw. hinzukommende Funktionseinheiten sollten entsprechende Bauartnachweise existieren. Falls alle Geräte oder Einheiten durch den ursprünglichen Hersteller der Schaltanlage als Variante berücksichtigt wurden, existieren gegebenenfalls solche Bauartnachweise. Ist dies nicht der Fall, so wird derjenige, der die Änderungen an einer Schaltanlage ausführt, zum Hersteller und muss dementsprechend die nötigen Bauartnachweise erbringen.

SSB: Könnten Sie bitte kurz den Unterschied zwischen „Hersteller“ und „ursprünglichem Hersteller“ erläutern?

Cater: Als ursprünglichen Hersteller bezeichnen wir den Hersteller des Schaltanlagensystems, der für die Konstruktion und deren Nachweise verantwortlich ist. Der Schaltanlagenbauer ist der Hersteller der Schaltgerätekombination, die vor Ort installiert ist. Er trägt die Verantwortung für die Festlegung der Bemessungswerte, deren Dokumentation, Stückprüfung und CE-Erklärung.

SSB: Gibt es weitere Dinge, die bei Änderungen an einer Schaltanlage zu berücksichtigen sind?

Cater: Zwei weitere Aspekte wären noch zu nennen. Derjenige, der die Anlage ändert, muss dies durch eine Stückprüfung dokumentieren. Wenn die Bestandsanlage im Rahmen der Änderung mit der für sie gültigen Norm noch übereinstimmt, bleibt die CE-Erklärung erhalten. Im anderen Fall muss die CE-Erklärung zumindest für den neu angebauten Teil neu erstellt werden.

SSB: Gibt es zu diesem Thema weitergehende Informationen?

Cater: Im ZVEI-Fachkreis Niederspannungsschaltanlagen ist hierzu ein Informationsflyer erstellt worden, der ausführlich auf die notwendigen Anforderungen bei Änderungen von Bestandsanlagen eingeht. Dieser Flyer ist auf der ZVEI-Homepage www.zvei.org unter den Themen des Fachbereiches Schaltgeräte, Schaltanlagen, Industriesteuerungen zu finden.

Das könnte Sie auch Interessieren

Bild: Schneider Electric GmbH
Bild: Schneider Electric GmbH
Praxiserprobt

Praxiserprobt

Nach erfolgreicher Testphase sind beim Kölner Energieversorger RheinEnergie klimafreundliche Mittelspannungsschaltanlagen Teil des regulären Netzbetriebs. Seit August 2022 arbeitet das Unternehmen mit der RM AirSet von Schneider Electric, einer gasisolierten Ringkabelschaltanlage, die ganz ohne Fluorgase auskommt. Nach erfolgter EU-weiter Ausschreibung hat der Energieversorger unter anderem Schneider Electric mit der Lieferung von weiteren Schaltanlagen dieser Art beauftragt.

Bild: Sedotec GmbH & Co. KG
Bild: Sedotec GmbH & Co. KG
Technische Standards gegen Fachkräftemangel

Technische Standards gegen Fachkräftemangel

Knapp 60 Prozent des Stroms wurden 2023 durch Erneuerbare Energien erzeugt. Weniger als ein Viertel davon durch Photovoltaik. Das könnte viel mehr sein. Der Wille ist auch bei vielen Unternehmen da. Jedoch gibt es neben individuellem „Bastelaufwand“ mit langen Genehmigungsverfahren und schließlich auch durch den Fachkräftemangel große Hürden. Das könnte sich nun ändern. Denn Sedotec schafft mit geprüften Feldtypen eine sichere, schnell zu installierende und nachhaltige Standardlösung zur Einspeisung selbst erzeugter Energie – nicht nur aus der Sonne.

Bild: ABB
Bild: ABB
Neue Reihenschaltschränke

Neue Reihenschaltschränke

Die neuen TriLine C Schränke sind nicht nur auf den Ausbau mit CombiLine N Modulen, Montageplatten oder Traversensystemen abgestimmt, mit drei Schrankoptionen und jeweils vier Innenausbauvarianten bieten sie außerdem eine große Vielfalt an Möglichkeiten für den Schaltanlagenbau.