Auf Dauer dicht und geschützt

Dichtungen für Schaltschränke

Auf Dauer dicht und geschützt

Dichtungen sind auf den ersten Blick eher unscheinbar. Dabei haben sie aber eine bedeutende Funktion. Im Gehäuse- und Schaltschrankbau schützen sie die Innenräume unter anderem vor Feuchtigkeit, Staub und Schmutz. Auch im Bahn-, Klima- und Hygienebereich übernehmen Dichtungsprofile wichtige Aufgaben. Gefertigt werden sie aus verschiedenen Werkstoffen. Abhängig von den Anforderungen und dem Anwendungsbereich ist dabei die richtige Wahl der Materialien entscheidend, damit das gesamte Dichtsystem funktioniert.

 (Bild: EMKA Beschlagteile GmbH & Co. KG)

(Bild: EMKA Beschlagteile GmbH & Co. KG)

Grundlage für die Herstellung von Gummiprofilen sind Polymere, die sich in drei Hauptgruppen unterteilen lassen: Elastomere, Thermoplaste und thermoplastische Elastomere. Für die Fertigung von Elastomeren, wie Ethylen-Propylen-Kautschuk (EPDM), Nitrilkautschuk (NBR) oder Chloroprenkautschuk (CR), ist Kautschuk der Hauptrohstoff. Die plastische Kautschukmasse wird mit verschiedenen Zusatzstoffen gemischt und erhitzt. Bei diesem chemisch-physikalischen Prozess der Vulkanisation verbinden sich die Molekülketten des Kautschuks untereinander. Das Material erhält dabei seine Gummielastizität. Die Herstellung von Thermoplasten, wie Polyvinylchlorid (PVC) oder Polypropylen (PP), dagegen erfolgt durch rein physikalische Prozesse. So ist die Kunststoffmasse in einem bestimmten Temperaturbereich und durch Krafteinwirkung formbar – ohne Vulkanisation. Thermoplaste können mehrfach wieder eingeschmolzen werden. Thermoplastische Elastomere (TPE) verbinden die Herstellungsvorteile der Thermoplaste mit den Gummieigenschaften der Elastomere. Sie haben aufgrund ihrer Struktur elastische Eigenschaften bei Raumtemperatur. Bei Wärmezufuhr lassen sich die Kunststoffe dagegen plastisch verformen. Grundsätzlich beeinflussen viele Eigenschaften des Dichtungsmaterials, wie Elastizität und Restkompression, aber auch die Beständigkeit gegenüber Chemikalien und Hitze die Funktionsfähigkeit und Qualität der Dichtung.

EPDM: resistent und beständig

Im Schaltschrankbau kommt überwiegend der synthetische Kautschuk EPDM aus dem Bereich der Elastomere zum Einsatz. Der Werkstoff zeichnet sich durch eine gute Heißwasser-, Wasserdampf-, Alterungs- und Witterungsbeständigkeit aus und überzeugt durch einen großen thermischen Anwendungsbereich von -35°C bis +130°C. Auch verfügt der synthetische Kautschuk über eine gute Sauerstoff-, UV- und Ozonbeständigkeit. EPDM ist resistent gegen Säuren und Laugen, sollte aber nicht mit mineralischen Ölen in Kontakt kommen. Der Nitrilkautschuk NBR – ebenfalls ein Elastomer – ist für diesen Anwendungsfall besser geeignet, bietet aber in puncto UV- und Ozonbeständigkeit eine geringere Beständigkeit. Der thermische Anwendungsbereich liegt je nach Mischungsaufbau zwischen -30°C und +100°C, kurzzeitig bis +130°C. Bei höheren Temperaturen verhärtet der Werkstoff jedoch.

 

 Dichtungen aus EPDM mit Dichtbereich aus Moosgummi und Klemmbereich aus Weichgummi mit Metallkern (Bild: EMKA Beschlagteile GmbH & Co. KG)

Dichtungen aus EPDM mit Dichtbereich aus Moosgummi und Klemmbereich aus Weichgummi mit Metallkern (Bild: EMKA Beschlagteile GmbH & Co. KG)

 Dichtungen aus EPDM mit Dichtbereich aus Moosgummi und Klemmbereich aus Weichgummi mit Metallkern (Bild: EMKA Beschlagteile GmbH & Co. KG)

Dichtungen aus EPDM mit Dichtbereich aus Moosgummi und Klemmbereich aus Weichgummi mit Metallkern (Bild: EMKA Beschlagteile GmbH & Co. KG)

Luftblasen verbessern die Eigenschaften

Moosgummi ist ebenfalls ein Elastomer. Die Herstellung des Dichtungsmaterials erfolgt im Wesentlichen aus EPDM, NBR oder CR. Bei der Herstellung entstehen während der Vulkanisation durch chemische Zusätze kleine Luftblasen, die das Material aufblähen. Das führt zu einer Struktur mit überwiegend offenen Zellen. Die Außenhaut des Produktes ist dicht, geschlossen und robust. Moosgummi ist auch für EMKA, den Weltmarktführer für Verschlüsse, Scharniere und Dichtungen, ein wichtiges Material für die Abdichtung im Schaltschrankbereich. „Unsere Dichtungsprofile für den Schaltschrank bestehen häufig aus einem sogenannten Fußbereich mit eingebettetem Metallkern und einem Dichtelement aus Moosgummi“, erklärt Helmut Krebs, technischer Berater Dichtungstechnik bei EMKA. Das Material eignet sich sehr gut für die Abdichtung von Schaltschränken, da es eine hohe Druckelastizität und ein gutes Rückstellungsvermögen aufweist. Nach der Dehnung oder Stauchung kehrt das Elastomer also annähernd in den Ausgangszustand zurück. Moosgummi-Profile sind weich, bieten bei leichtem Druck eine gute Kontaktfläche zum Gehäuse und dichten damit ideal ab. Viele Toleranzen an der Schaltschranktür lassen sich so überbrücken. Optimal funktioniert das Dichtungsmaterial, wenn es zu 30 bis maximal 50% komprimiert wird. Bei einer Komprimierung über 50% besteht die Gefahr, die Struktur des Materials zu schädigen und damit das Rückstellungsvermögen zu reduzieren.

Das physikalische Verhalten des Dichtungsmaterials

Über die Eignung als Dichtungswerkstoff entscheidet u.a. das physikalische Verhalten eines Materials. Hier kommt der sogenannte Druckverformungsrest (DVR) als Maß für die bleibende Verformung ins Spiel. Er gibt an, inwiefern die elastischen Eigenschaften von Elastomeren nach einer Druckverformung bei vorgegebener Temperatur erhalten bleiben. So bedeutet ein DVR von 0%, dass der Stoff seine ursprüngliche Form wieder vollständig erreicht, bei einem DVR von 100% dagegen bleibt das Material nach der vorgenommenen Entspannung völlig verformt. „Alle von uns eingesetzten Materialien verfügen über exzellente Werte der physikalischen Eigenschaften und garantieren damit eine optimale Funktion“, so Helmut Krebs.

Ein geprüftes und sicheres System

Wie in vielen Bereichen der industriellen Fertigung spielen Normen auch für den Einsatz von Dichtungen eine wesentliche Rolle, um deren Qualität bzw. Eignung für unterschiedliche Einsatzzwecke (auch länderspezifisch) zu definieren. Die Dichtungen von EMKA beispielsweise erfüllen die Brandschutznorm DIN EN45545-2 oder VDI6022, darüber hinaus aber auch die UL-Normen (UL = Underwriters Laboratories) für Sicherheit. Somit sind sie auch in den USA einsetzbar. Beispielsweise bieten die EPDM-Dichtungen einen Flammschutz und Brandsicherheit gemäß UL 94 HB, CR-Material sogar bis zu V-0. Der Werkstoff ist damit selbstverlöschend bis spätestens zehn Sekunden. Es dürfen sich keine brennenden Tropfen bilden und das Material glimmt höchstens 30 Sekunden nach. Mit der UL-Kennzeichnung ist die Einhaltung der behördlichen Auflagen für elektronische Installationen ohne Beanstandung sichergestellt; EMKA gewährleistet damit ein geprüftes und sicheres System. Schaltschränke müssen auch unter widrigen Bedingungen ihre Funktion erfüllen. Die IP-Schutzklassen informieren darüber, für welchen Umgebungsbereich das elektronische Gerät geeignet ist. Sie legen zudem fest, in welchem Umfang ein elektrisches Bauteil Umwelteinflüssen ausgesetzt werden kann, ohne beschädigt zu werden oder ein Sicherheitsrisiko darzustellen. Eine Dichtung der Schutzart IP65 beispielsweise gewährleistet einen vollständigen Schutz gegen Berührungen, Staub und gegen Strahlwasser aus allen Richtungen. Um die Eigenschaften und die Qualität der verwendeten Dichtung zu untersuchen, führen Unternehmen wie EMKA in ihren Laboren IP-Tests und weitere physikalische Tests durch. Der Kunde erhält so Sicherheit im Hinblick auf die Beständigkeit der Dichtung und Funktionsfähigkeit des gesamten Dichtsystems.

Sind geschäumte Dichtungen eine Alternative?

Neben Dichtungsmaterialien aus EPDM kommen auch geschäumte Dichtungen im Schaltschrankbau zum Einsatz. Allerdings sind sehr kostenintensive Maschinen notwendig, um diese Dichtungsmaterialien zu applizieren. Hierbei ist der Kunde in vielen Fällen auf einen weiteren Unterlieferanten angewiesen und von dessen Lieferfähigkeit abhängig. Die Schaumdichtung wird direkt auf die Schaltschränke aufgebracht. Ist die Dichtung einmal aufgeschäumt und ausgehärtet, kann man sie nicht mehr entfernen. Die EPDM-Dichtungen von EMKA dagegen sind ersetzbar, falls Veränderungen an Schaltschränken vorgenommen werden müssen. Damit sind sie eindeutig flexibler einsetzbar. Liegt beispielsweise ein Defekt vor, muss nicht die komplette Tür entfernt und gegen eine andere Tür mit neu aufgeschäumter Dichtung ausgetauscht werden. Je nach Einsatzort haben die Umgebungsbedingungen einen mehr oder weniger großen Einfluss auf die Haltbarkeit der Dichtung. Daher ist es umso bedeutender, diese im Bedarfsfall schnell auswechseln zu können. Ein weiterer Vorteil der Gummidichtung im Vergleich zu Schaumdichtungen liegt in der optimierten Toleranzüberbrückung von Bauteilen.

Veredelung bei Bedarf

Die Montage von Dichtungen erfolgt auf unterschiedliche Art und Weise – sie können auf einen Steg aufgesteckt, in einer Nut angebracht oder mit Klebeband appliziert werden. „Kunden profitieren von unseren maßgeschneiderten Dichtungen, die wir vulkanisiert als Rahmen oder Ringe anbieten“, so Helmut Krebs. Neben einer vereinfachten und schnellen Montage wird damit sichergestellt, dass die Verbindungsstellen der Ecken und der Ringe dauerhaft dicht und geschlossen sind. Je nach Anforderungsprofil ist es notwendig, elastomere Dichtungen zu veredeln. Entscheidend dabei ist der Erhalt der Eigenschaften des Werkstoffes bei gleichzeitiger Funktionserweiterung. Beispielsweise ist es möglich, die Oberfläche des Dichtungsmaterials mit einem Gleitlack zu beschichten. Dies verhindert Verschleiß, Ankleben oder Reibung, was wiederum zu einer erhöhten Prozesssicherheit führt.

Gehäuse und Dichtung als System verstehen

„EMKA ist nicht nur ein Lieferant“, erläutert Helmut Krebs. „Wir verstehen uns als Problemlöser und entwickeln gemeinsam mit dem Kunden Konzepte zur optimalen Abdichtung von Schaltschränken.“ Mit einem ganzheitlichen Ansatz berücksichtigt der Dichtungsexperte neben den Dichtungen auch die Verschlüsse, Scharniere sowie das Material und die Konstruktion des Schaltschrankes und bietet damit Systemlösungen für den Schaltschrankbau an. Wichtig ist es, gemeinsam mit dem Kunden eine wirtschaftlich optimierte Lösung zu entwickeln. Das können Hersteller nur, wenn sie auf ein breites Portfolio an vorhandenen Dichtungsmaterialien zurückgreifen können. Der Anwender profitiert von individuell an seine Anforderungen angepassten Produkten und erhält so ein maßgeschneidertes und optimal dichtendes System.

Autorin | Anja Ehrmann, Fachjournalistin aus Montabaur

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