Ergebnisse der IW-Studie zum Digitalen Produktpass (DPP)

Mangelnde Voraussetzungen für die Implementierung

Relevanz und Umsetzbarkeit durch Unternehmen
Nachhaltiges Wirtschaften ist das Gebot der Stunde, und ein Schlüssel dafür liegt in der Digitalisierung begründet. Denn um einen möglichst hohen Wissensstand über die Nachhaltigkeit von Produkten zu etablieren, sind die politischen Institutionen darum bemüht, einen Digitalen Produktpass (DPP) als zentrales Element der Circular Economy ins Leben zu rufen. Experten des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln haben sich daher intensiv mit diesem Thema beschäftigt und Ende September eine Studie veröffentlicht, die die Chancen eines solchen Instruments herausarbeiten, aber auch die Hürden benennen, die es auf diesem Weg zu überwinden gilt.
Politische Entwicklungen und rechtliche Rahmenbedingungen zum DPP im Zeitverlauf – Bild: Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V.

Um es eingangs klar zu sagen: Der Digitale Produktpass sorgt nicht in erster Linie dafür, dass ein Erzeugnis nachhaltiger wird – vielleicht abgesehen davon, dass auf Papier zu Dokumentationszwecken verzichtet werden könnte. Die Umweltverträglichkeit hängt selbstredend in erster Linie von den für das Produkt verwendeten Materialien sowie von anderen Parametern wie Fertigungsmethoden oder der aufgewendeten Energie bei dessen Transport ab. Der DPP hilft aber entscheidend dabei, gesetzlich geforderte Nachweise einfacher zu erbringen. „Über den DPP sollen, wie in einem ‚Produktgedächtnis‘, Informationen über das Produkt wie Hersteller, Material, Eigenschaften, Reparatur- und Entsorgungsmöglichkeiten digital für alle Akteure bereitgestellt werden, um so die Transparenz über den gesamten Produktlebenszyklus zu erhöhen“, so die IW-Studie. Dabei existiert bisher noch kein einheitliches, branchen- und unternehmensübergreifendes Produktpass-System. Doch gibt es Insellösungen, die bereits das Potenzial eines solchen Werkzeugs eindrucksvoll demonstriert haben. Im Hinblick auf den Schaltanlagenbau zu nennen wäre da vor allem der Showcase namens PCF@ControlCabinet, bei dem anhand des DPP der CO2-Fußabdruck eines Schaltschranks in kurzer Zeit berechnet werden kann (siehe auch SSB 1-2022 und 4-2022). Das hier genutzte Datenmodell basiert auf dem durch die Plattform Industrie 4.0 erarbeiteten Verwaltungsschalenmodell, Englisch Asset Administration Shell (AAS). Nun gilt es, ein generell gültiges System zu schaffen, das idealerweise für die gesamte Wirtschaft gültig ist. Als Datenstandard, so die IW-Studie, eigne sich dazu Eclass in besonderer Weise wegen seiner „Interoperabilität, dem Baukastensystem sowie der Konformität mit Standards und globalen Normen“.

Große Unterschiede im Digitalisierungsniveau

Aufgrund der geplanten EU-Ökodesign-Verordnung werden sich Hersteller damit beschäftigen müssen, ihre Produkte stärker an den Nachhaltigkeitszielen der sich aus dem EU Green Deal ergebenden Circular Economy auszurichten und dies auch konkret nachzuweisen. Die IW-Experten haben sich daher genau angeschaut, inwieweit die deutschen Unternehmen derzeit überhaupt darauf ausgerichtet sind, einer solchen Nachweispflicht nachzukommen, um dem Konzept eines Digitalen Produktpasses Leben einzuhauchen. Ernüchterndes Ergebnis: „Viele Unternehmen in Deutschland erfüllen noch nicht die Voraussetzungen für eine Implementierung des DPP. Insbesondere sind zahlreiche Unternehmen noch nicht ausreichend digitalisiert und es gibt große Branchenunterschiede im Digitalisierungsniveau. Des Weiteren erfüllen viele Unternehmen nicht die Voraussetzungen, um Daten effizient zu bewirtschaften, weil Produktdaten oft noch analog gespeichert werden und viele Unternehmen über keine Data Governance verfügen, die die Grundlage für die Gewährleistung von Datenqualität, Datenintegrität und Datensicherheit ist.“ Hier täten sich besonders kleine und mittelgroße Firmen derzeit noch schwer.

Bild 2 | Die Anzahl der im DPP enthaltenen Merkmale steigt mit der Komplexität des Produkts.
Bild 2 | Die Anzahl der im DPP enthaltenen Merkmale steigt mit der Komplexität des Produkts.Bild: Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V.

Aufbau eines DPP

Ein Digitaler Produktpass, so die Autoren der Studie, müsse bestimmten formalen Kriterien genügen. Diese beziehen sich sowohl auf den inhaltlichen als auch den technischen Aufbau. „Der DPP sollte als Transportcontainer dienen, klaren Strukturen folgen, modular und erweiterbar aufgebaut sein. Erforderlich ist eine strukturierte und vor allem standardisierte Informationserfassung und -weitergabe, damit alle beteiligten Akteure die nötigen Informationen zum Produkt einsehen und ergänzen können. Relevant werden vor allem Standards für die Identifikation, Klassifikation und die Erfassung von umweltrelevanten Informationen.“ Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Erkenntnis, dass die Implementierung ein iterativer, also ein sich Schritt für Schritt weiter entwickelnder Prozess ist.

Möglicher Mehrwert

Neben den technischen Voraussetzungen für eine Implementierung des DPP sollten Unternehmen auch dafür sorgen, dass sich ihre Mitarbeiter entsprechende Kenntnisse im Hinblick auf Datenverwaltung, Datenschutz oder der Nutzung nützlicher Softwaretools aneigneten, beispielsweise durch Schulungen. Ist dieses Umfeld einmal geschaffen, so bringt die Nutzung eines Digitalen Produktpasses neben der Erfüllung einer Nachweispflicht noch einige Mehrwerte mit sich. Bezogen auf den Schaltschrankbau etwa lassen sich einmal etablierte Standards für eine höhere Datendurchgängigkeit von der Planung bis in die Fertigung und damit für eine verbesserte Wirtschaftlichkeit nutzen. Möglicherweise können auch noch Geschäftsmodelle im After-Sales-Bereich angedockt werden. In jedem Fall geben Schaltanlagenbauer ihren Kunden eine lückenlose Dokumentation an die Hand, die diese für Inbetriebnahme und Wartung nutzen können. (jwz)

Interessierte finden die DPP-Studie zum kostenlosen Download unter iwkoeln.de

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