Umstiegspotenzial

Verdrängung von teurem Kupfer hat begonnen

Umstiegspotenzial

Die Nachfrage nach Aluminiumverkabelung steigt. Nicht nur auf internationalen Märkten, sondern zunehmend auch in Deutschland etabliert sich der Leiterwerkstoff als Alternative zum bisher gängigen Kupfer – trotz scheinbarer Nachteile wie Materialeigenschaften oder teilweise nicht eindeutiger Normen. Neue Verbindungslösungen bieten das Potenzial für den Umstieg.

 Bisher war Deutschland bei der Verkabelung ein Kupferland. Das ?ndert sich langsam. (Bild: Carl Leipold GmbH)

Bisher war Deutschland bei der Verkabelung ein Kupferland. Das ?ndert sich langsam. (Bild: Carl Leipold GmbH)

Die USA, Skandinavien und Osteuropa gehen bei der Verdrahtung von Aluminium voran: In den europäischen Musterstaaten wurde der Werkstoff in den großen Stromleitungen schon immer bis an die eigene Haustür gelegt. Wer in diesen Ländern bis heute Energieverteilungen verkabeln will, kommt an Aluminium nicht vorbei. In Deutschland bisher ein anderes Bild: Die Bundesrepublik gilt als klassisches Kupferland. Doch Aluminium gewinnt hierzulande bei der Verkabelung zunehmend an Bedeutung. Erneuerbare-Energien-Branchen wie Windkraft und Solar setzen seit jeher auf den alternativen Leiterwerkstoff. Daneben bestehen teilweise ganze Stromtrassen aus Aluminiumkabeln. Überall dort, wo Verteilungen aufgebaut werden, gelangt Aluminium verstärkt in den Fokus.

Preis und Gewicht bringen große Vorteile für Aluminium

Treiber dieser Entwicklung ist vor allem der Preis, aber auch das Gewicht. Ob Infrastruktur oder Anlagenbau: Im Vergleich zu Kupfer weist Aluminium im Allgemeinen zwar eine geringere Leitfähigkeit auf, Anwender müssen für Aluminium aber nur rund ein Drittel des Einkaufspreises für Kupfer aufwenden. Im Vergleich zu Kupfer wiegt Aluminium darüber hinaus rund 70 Prozent weniger. Zwar sind für die gleiche Leitfähigkeit rund ein Drittel größere Leiterquerschnitte bei Aluminium nötig, aber auch bei einem höheren Durchmesser der Leitungen bleibt der Gewichtsvorteil erhalten. Bei größeren solaren Aufdachanlagen können Aluminiumkabel sogar zur entscheidenden Gewichtsreduktion beitragen, die den Bau erst möglich macht. Ähnlich in der E-Mobilität: Das gesamte Bordnetz lässt sich mit Aluminiumleitern auslegen, um neben den schweren Batterien Gewicht einzusparen und dem Grundgedanken des Leichtbaus nachzukommen. Vor diesem Hintergrund stocken namhafte Verbindungstechnik-Anbieter aktuell ihr Produktportfolio mit aluminium-kompatiblen Elektrokomponenten auf. Trotzdem begegnen Planer und nicht zuletzt die Installateure im kupfergeprägten Deutschland dem Umstieg auf Aluminium mit Zurückhaltung. Das liegt insbesondere an einer scheinbaren Unsicherheit hinsichtlich der Verbindungstechnik und der Normen. Hierzulande gibt es im Gegensatz zu Kupferklemmen keine vom VDE anerkannten Normen für auf Aluminiumleiter ausgelegte Komponenten.

Einheitliche Norm für komplette Alu-Klemmen fehlt bisher

Um ihre Marktfähigkeit aktuell nachzuweisen, müssen Hersteller einen Umweg über international gängige Normen gehen. Während die Norm IEC60947-7-1 die Eigenschaften für Kupfer-Klemmverbindungen in ihrer Ganzheit beschreibt, wird bei Elektroklemmen für Aluminiumverbindungen bisher in der Regel die internationale Norm IEC61238-1 herangezogen. Diese gilt für Press- und Schraubverbindungen von Stromkabeln aus Kupfer (Nennquerschnitt ab 10mm²), aber eben auch aus Aluminium (Nennquerschnitt ab 16mm²). Sie beschreibt aber einzig die Eigenschaften der Klemmstelle an sich. Merkmale wie zum Beispiel Kriech- oder Luftstrecken sind nicht normiert. Für internationale Märkte ist darüber hinaus die Einhaltung weiterer Normen nötig. Durch die Zertifizierung nach der US-amerikanischen Richtlinie UL1059 werden Hersteller für den Vertrieb auf dem US-amerikanischen Markt oder nach CSA 22.2 No. 158.10 in Kanada befähigt. Diese Zertifikate berechtigen streng genommen nicht zum Vertrieb in Europa, als Qualitätsnachweis werden sie aber trotzdem nachgefragt. Neben dieser Normungsproblematik sorgt der Werkstoff Aluminium selbst für Unsicherheit bei den an Kupfer gewöhnten Anwendern. Aluminium verhält sich im Vergleich zu Kupfer anders. Aluminium ‚kriecht‘. Unter Sauerstoff-Einfluss oxidiert die Oberfläche schnell. Beim Aufeinandertreffen von Kupfer- und Aluminiumleitern an der Klemmstelle würde der Alu-Leiter viel schneller zerstört. Der luftdichte Verschluss des Aluminiumleiters in der Klemmstelle ist daher unumgänglich. Früher mussten Installateure den Aluminiumleiter beim Anschluss in die seinerzeit verfügbaren offenen Klemmen mit Gießharz ummanteln. Der Anschluss war dementsprechend aufwändig. Auch die Klemmstellen selbst hielten den Energiekräften oftmals nicht stand.

Neue Generation verspricht optimale Verbindungen

Doch eine neue Generation fingersicherer aluminiumkompatibler Elektroklemmen sorgt bei entsprechender Vorbehandlung des Leiters für sichere Verbindungen – und das auch trotz der im Vergleich zu Kupfer viel größeren Querschnitte. Die kompakt konstruierten Komponenten ermöglichen einen einfachen Anschluss von Aluminiumkabeln. Darüber hinaus halten die kompakten Bauweisen trotz der großen Kabelquerschnitte ausreichend Platz im Schaltschrank frei, damit Installateure sie immer noch bequem anschließen können. Alleine die Beschaffenheit der Komponenten und speziell die Eigenschaften der Klemmstellen sorgen für eine sichere Kontaktierung und Langlebigkeit der Verbindungen. Während Lösungen für die bisherigen Probleme in der Verbindungstechnik auf dem Vormarsch sind, ist derzeit auch eine neue technische Spezifikation in Vorbereitung. Sie soll Aluminium-kompatible Elektrokomponenten in ihrer ganzen Bauweise einheitlich normieren. Internationale Richtlinien deuten aktuell überdies darauf hin, dass sich Deutschland dem Trend zu Aluminium nicht mehr lange verschließen kann. Ungarn, auf dem Gebiet der Verbindungstechnik eines der Vorreiterländer, hat jüngst eine Richtlinie beschlossen, die die Eigenschaften neuer Elektrokomponenten regelt. Demnach müssen in Zukunft alle neuen Klemmen im Zähleranschlussbereich sowohl mit Kupfer als auch mit Aluminium kompatibel sein.

Interview mit Dirk Niestrat, Leipold

„Vorteile von Aluminium werden zukünftig stärker gefragt sein“

 (Bild: Carl Leipold GmbH)

Bild 2 | Die Normung für Aluminium-Klemmem ist bisher nicht eindeutig (Bild: Carl Leipold GmbH)

Originär als Drehteilehersteller bekannt, stellte die Leipold Gruppe vor fünf Jahren auf der Hannover Messe Industrie ihre erste eigenentwickelte Elektrokomponente vor, einen Phasenverteilerblock ausgelegt speziell für Aluminiumleiter in Energieverteilungen. Seitdem begleitet das Thema Aluminium den Hersteller. Der SCHALTSCHRANKBAU sprach mit Dirk Niestrat, Leiter der Unternehmenssparte Elektrotechnik, über die Entwicklung und die Herausforderungen bei den Elektrokomponenten.

Herr Niestrat, Aluminiumklemmen in Deutschland in der Verbindungstechnik: War das von Anfang an nicht ein Himmelfahrtskommando?

Dirk Niestrat: Nein, keinesfalls. Wir glauben bis heute daran, dass sich Aluminium auch noch viel mehr in Deutschland durchsetzen wird, als es bisher der Fall ist. Die Vorteile von Aluminiumklemmen werden im Schaltschrankbau in Zukunft viel stärker gefragt sein – insbesondere vor dem Hintergrund der steigenden Kosteneffizienz. Bei der Aluminium-Kompatibilität unserer Komponenten war Deutschland aber am Anfang gar nicht unser Fokusmarkt.

Wo sahen Sie denn Potenzial für Aluminium?

 Dirk Niestrat:

Dirk Niestrat: „Durch die kompakte Bauweise der Klemme sparen Schaltschrankbauer viel Platz.“ (Bild: Carl Leipold GmbH)

Niestrat: Unsere Vertriebsstrategie sah von Beginn an vor, auch international zu expandieren – beispielsweise in den USA, Skandinavien oder Osteuropa. Die Möglichkeit zur Verbindung von Aluminiumleitern ist dort Voraussetzung für den Markteintritt. Vor diesem Hintergrund haben wir unser gesamtes Klemmenportfolio auch auf Aluminiumleiter ausgelegt. Damit sind wir nach etwas mehr als fünf Jahren im Komponentenbereich bereits sehr erfolgreich. Zahlreiche namhafte Verbindungstechnikhersteller haben unsere Komponenten in ihr Portfolio übernommen – zum einen wegen der kompakten und ergonomischen Bauweise nach den Grundsätzen der einfachen Installation, zum anderen aber auch wegen der Aluminium-Kompatibilität. 13 Prozent unseres Umsatzes im Bereich Elektrotechnik erwirtschaften wir bereits durch die Elektroklemmen.

Trotzdem bleibt Aluminium für viele hierzulande ein Spezialfall. Wie überzeugen Sie Anwender von dem Leiterwerkstoff?

Niestrat: Prinzipiell überzeugen wir niemanden von einem bestimmten Werkstoff. Alle unsere Klemmen, selbst unsere neuen Reihenklemmen mit Aluminium-Kern, lassen sich mit Kupfer verbinden. Unser Portfolio an Hauptleitungsabzweigklemmen beispielsweise ist sowohl für Kupfer als auch Aluminium durchzertifiziert mit allen nötigen nationalen und internationalen Standards. Aber die Nachfrage nach Aluminiumklemmen steigt merklich an. Heute sind wir technisch viel weiter als bei herkömmlichen Verbindungslösungen.

Wie meinen Sie das?

Niestrat: Bis heute gibt es noch Pressverbinder, die mit Fett gefüllt werden, um Aluminium mit einem Spezialwerkzeug luftdicht zu verschließen. Dieses umständliche Verbinden ist aber eigentlich nicht mehr nötig. Der Kern unserer Klemmen sorgt mit einem dreifachen Korrosionsschutz bereits für eine sichere Verbindung. Was bleibt, ist die verbindliche Vorbehandlung des Aluminiumleiters. Aufgrund der Eigenschaften des Werkstoffs kommen Installateure nicht daran vorbei: Zuerst gilt es, die Oxidschicht abzunehmen. Es ist aber keinerlei Presshülse nötig. Und durch die kompakte Bauweise sparen Schaltschrankbauer viel Platz ein.

Die USA, Skandinavien und Osteuropa gehen bei der Verdrahtung von Aluminium voran: In den europäischen Musterstaaten wurde der Werkstoff in den großen Stromleitungen schon immer bis an die eigene Haustür gelegt. Wer in diesen Ländern bis heute Energieverteilungen verkabeln will, kommt an Aluminium nicht vorbei. In Deutschland bisher ein anderes Bild: Die Bundesrepublik gilt als klassisches Kupferland. Doch Aluminium gewinnt hierzulande bei der Verkabelung zunehmend an Bedeutung. Erneuerbare-Energien-Branchen wie Windkraft und Solar setzen seit jeher auf den alternativen Leiterwerkstoff. Daneben bestehen teilweise ganze Stromtrassen aus Aluminiumkabeln. Überall dort, wo Verteilungen aufgebaut werden, gelangt Aluminium verstärkt in den Fokus.

Carl Leipold GmbH
www.leipold.com

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