Montagearbeitsplätze in Werkstätten für Menschen mit Behinderung

Mitarbeitergesundheit und Qualität gesichert

In der Automobilindustrie gilt es für Zulieferer, im Rahmen einer Nullfehlerstrategie hundertprozentige Qualität zu gewährleisten - das erstreckt sich auch auf die kleinste Fahrwerkskomponente. Alles muss richtig montiert sein, sonst ergeben sich später im Gesamtsystem Probleme. Werkstatt Bremen, deren Mitarbeiter Drehstäbe vormontieren und Just-in-Sequence an das Montageband des Autobauers liefern, nimmt diese Verpflichtung sehr ernst: Spezielle Handarbeitsplätze, die gemäß dem japanischen Poka Yoke-System aufgebaut sind, vermeiden Fehler - und erlauben gleichzeitig eine gute Ergonomie für den Bediener.
Bild 3 | Spezielle Poka 
Yoke-Handarbeitsplätze von RK Rose+Krieger vermeiden bei Werkstatt Bremen Fehler bei der Montage von Fahrzeugkomponenten.
Bild 3 | Spezielle Poka Yoke-Handarbeitsplätze von RK Rose+Krieger vermeiden bei Werkstatt Bremen Fehler bei der Montage von Fahrzeugkomponenten.Bild: RK Antriebs- und Handhabungs-Technik GmbH

Werkstatt Bremen ist ein eingetragener Eigenbetrieb der Stadtgemeinde Bremen und betreibt mit dem Martinshof eine anerkannte Werkstatt für Menschen mit Behinderungen. Rund 1.800 Menschen, die auf Grund einer Behinderung keine Chance auf einen regulären Ausbildungs- bzw. Arbeitsplatz hätten, arbeiten und lernen bei Werkstatt Bremen an über 33 Standorten. Rund 400 Fachkräfte unterstützen die Arbeitsprozesse durch fachliche Begleitung und berufliche Qualifizierung in über 20 Berufsfeldern und Gewerken. Im Bereich Automotive beschäftigt Werkstatt Bremen derzeit ca. 430 Mitarbeiter mit Behinderungen und beliefert seit mehr als 30 Jahren unter anderem einen ortsansässigen Automobilhersteller.

Bild 2 | Das Poka Yoke-System stellt sicher, dass der Werker nur das zur Montageaufgabe und -reihenfolge passende Teil greifen kann.
Bild 2 | Das Poka Yoke-System stellt sicher, dass der Werker nur das zur Montageaufgabe und -reihenfolge passende Teil greifen kann.Bild: RK Antriebs- und Handhabungs-Technik GmbH

Ergonomisch und fehlerfrei arbeiten

Bei dieser Aufgabe werden künftig anforderungsspezifische und nach ergonomischen Gesichtspunkten gestaltete Montagearbeitsplätze von RK Rose+Krieger helfen. Drei Anlagen dieser Art hat Werkstatt Bremen beauftragt. Sie werden ab August 2022 zum Einsatz kommen. „An den neuen Arbeitsplätzen werden unsere Mitarbeiter Drehstäbe in 18 Varianten und in hoher Stückzahl montieren“, erklärt Miriam Berger, Teamleitung Produktions- und Auftragssteuerung bei Werkstatt Bremen. „Dabei werden jeweils rechts und links am Drehstab kleinere Stabilisatoren verschraubt, die sich optisch sehr ähneln, aber keinesfalls vertauscht werden dürfen. Zudem gilt es, stets das vorgegebene Drehmoment zu erreichen.“ Abgesehen von den hohen Qualitätsansprüchen müssen die Montagearbeitsplätze aber natürlich auch auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter angepasst sein: Denn sie tragen wesentlich dazu bei, dass Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen fehlerfrei und in ihrem eigenen Takt arbeiten können. „Die Anforderung war klar: Hier werden Arbeitsplätze benötigt, die sich zur Integration von Menschen mit körperlichen oder kognitiven Einschränkungen ins Arbeitsleben eignen und trotzdem die geforderte Qualität des Automobilherstellers sicherstellen“, so Andreas Kebbel, Geschäftsführer der RK Antriebs- und Handhabungs-Technik. RK-AHT ist eine Tochtergesellschaft von RK Rose+Krieger, die Systemlösungen auf den Gebieten Automatisierung und Produktionstechnik anbietet.

Bild 1 | Bei den Poka Yoke-Handarbeitsplätze lassen sich auch kollaborierende Roboter einbinden.
Bild 1 | Bei den Poka Yoke-Handarbeitsplätze lassen sich auch kollaborierende Roboter einbinden. Bild: ©Bernd Kloepper/RK Antriebs- und Handhabungs- Technik GmbH

Klappe auf – aber nur für die richtigen Komponenten

Die Montagearbeitsplätze funktionieren nach dem Poka Yoke-System – lose übersetzt bedeutet der Begriff „Vermeidung kleiner ärgerlicher Fehler“. Dafür sorgt eine Klappensteuerung: Dabei öffnet sich zusätzlich zu einem Lichtsignal die Verschlussklappe des jeweiligen Materialkastens. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass der Werker nur das zur Montageaufgabe und -reihenfolge passende Teil greifen kann. Die Rückmeldung erfolgt wahlweise automatisch oder manuell. Die SPS-basierte Steuerung erlaubt sowohl die kundenspezifische Integration in vorhandene Steuerungssysteme als auch nahezu unbegrenzte Erweiterungen der Montageprozesse auf den Arbeitsplätzen. Es besteht zum Beispiel die Möglichkeit, das modulare System an vorhandenen Arbeitsplätzen nachzurüsten. Das Poka Yoke-System für die Montagearbeitsplätze von RK-AHT stammt vom Projektpartner Mitsubishi Electric. Neben dem Einsatz in integrativen Werkstätten sind zahlreiche weitere Anwendungsmöglichkeiten denkbar. „Das Produkt ist universell einsetzbar, wobei wir jeden Montagearbeitsplatz an die jeweilige Anwendung anpassen“, betont Andreas Kebbel. „Technisch sind dabei kaum Grenzen gesetzt.“ So lassen sich zum Beispiel auch kollaborierende Roboter einbinden. Bei der Montage können die Cobots dem Werker Material anreichen oder fertige Teile an den dafür vorgesehenen Stellen ablegen. Wer sich von den vielfältigen Möglichkeiten überzeugen möchte, sollte einen Workshop zum Thema Arbeitsplätze bei RK-AHT besuchen. „Bei uns im Haus kann der Kunde mit seinem Bauteil die verschiedenen Arbeitsplätze austesten“, so Andreas Kebbel. „Wenn er dann den Unterschied zwischen den verschiedenen Arbeitsplätzen konkret erlebt, kommt es nicht selten zu einem Aha-Erlebnis.“

Doppelt kontrolliert hält besser

Bei Werkstatt Bremen wird der Montageprozess abgesichert, indem zunächst einmal das richtige Bauteil bereitgestellt wird. Über eine Kamera gewährleistet das System, dass es sich auch wirklich um die korrekte Komponente handelt. Anschließend wird dem Werker über einen Monitor angezeigt, auf welcher Seite die Montage stattzufinden hat. „Zu guter Letzt wird optisch noch einmal überprüft, ob die Montage auch wirklich korrekt stattgefunden hat“, so Andreas Kebbel. „Wir gehen hier also zweimal auf Nummer sicher – bei der Bereitstellung der Bauteile und nach der Montage.“ Kognitive Assistenzsysteme ermöglichen diese Anleitung und Qualitätssicherung in Echtzeit. Die am Arbeitsplatz erfassten Kamerabilder werden vom Assistenzsystem fortlaufend analysiert und mit dem digital gespeicherten Fachwissen verknüpft. Für Miriam Berger ist das ein großer Pluspunkt: „Wir haben bereits ähnliche Montagearbeitsplätze eines Mitbewerbers im Einsatz. Mit den neuen Anlagen können wir die bestehenden Prozesse weiter ausbauen. Neben der hohen Prozesssicherheit haben die Poka Yoke-Arbeitsplätze für uns zudem den großen Vorteil, dass wir im Gegensatz zu früher fast jeden unserer Mitarbeiter für die Aufgabe einsetzen können.“

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RK Rose+Krieger GmbH

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