Wärmeberechnung von Schaltanlagen

Wärmeberechnung von Schaltanlagen

Mit digitalen Lösungen kommen Planer nicht ins Schwitzen

Verlustleistung, Temperaturbeständigkeit und Kabellängen: Wer die Erwärmung im Schaltschrank normgerecht berechnen will, muss unterschiedlichste Variablen im Blick haben. Das Kernproblem für Anlagenbauer: Die Werte sind häufig nicht in die Materialdatenbanken der Komponentenhersteller eingepflegt. Das bringt wirtschaftlichen Mehraufwand mit sich, da das händische Zusammentragen der Daten unnötige Arbeitszeit beansprucht. Eine effiziente und rechtssichere Lösung bietet systematisierte Berechnungstools.

 Automatisierte Berechnungstools bieten eine effiziente und rechtssichere L?sung der W?rmeberechnung. (Bild: AmpereSoft GmbH)

Automatisierte Berechnungstools bieten eine effiziente und rechtssichere Lösung der Wärmeberechnung. (Bild: AmpereSoft GmbH)

Auch wenn die Norm IEC61439 bereits seit knapp drei Jahren gültig ist, stellt sie Planer nach wie vor bei ihrer Umsetzung vor immense Herausforderungen. Ein Grund ist das aufwändige Berechnungsverfahren: Ingenieure müssen bei der Planung einer Schaltanlage von allen eingebauten Geräten und Leitern zum einen die Verlustleistung bei der vorgesehenen Belastung kennen. Zum anderen benötigen sie genaue Informationen über das Verlustleistungsabgabevermögen des Gehäuses, um sicherzustellen, dass die Erwärmung im vorgesehenen Rahmen bleibt. Abschließend müssen sie prüfen, ob alle Geräte und Leiter bei den berechneten Temperaturen betrieben werden können, um die stabile Funktionsweise der Schaltgerätekombination nachzuweisen.

Komplexe Prozesse: Wärmeberechnung und deren Dokumentation

Die Herausforderung bei der Wärmeberechnung schlechthin besteht für Planer in der Verfügbarkeit der benötigten Daten – und das gilt sowohl für die reine Wärmeberechnung als auch für die Erstellung der dazugehörigen Nachweisdokumente. Bei vielen Geräten und Komponenten sind oftmals weder die Angaben zu Verlustleistung und Temperaturbeständigkeit eingepflegt, noch die genauen Längen der verwendeten Kabel bekannt. Sie werden in der Regel erst bei der Produktion einer Anlage nach Bedarf abgelängt und verlegt. In der Praxis sind Planer gezwungen, die Daten bei dem jeweiligen Hersteller zu ermitteln und händisch zusammenzutragen.

Je mehr Komponenten unterschiedlicher Hersteller verwendetet werden, desto größer der Aufwand. Mitunter kann der Vorgang so zeitintensiv ausfallen, dass die Kosten für den Erwärmungsnachweis sogar die Gewinnspanne übersteigen. Doch selbst wenn alle Daten vorliegen, ist die Berechnung alles andere als leicht umzusetzen: Zur exakten Wärmebestimmung müssen Planer die unterschiedlichsten Variablen in die Kalkulation einbeziehen. Das sind zum einen die betriebsmittelbezogenen Daten, die sich auf die Materialeigenschaften der verwendeten Komponenten beziehen. Zum anderen müssen die Belastungen einberechnet werden, die durch den Betrieb der Anlage erst entstehen. Außerdem spielt eine dritte Berechnungsdimension eine entscheidende Rolle, die oftmals ganz außer Acht gelassen wird: die verwendete Verdrahtung. Auch diese ist zur korrekten Berechnung von entscheidender Bedeutung. Diese Faktoren ergeben in ihrem Zusammenspiel für die exakte Berechnung eine hochkomplexe Herausforderung, die auch fachlich versierte und erfahrene Planer überfordern kann. Denn die Prognose, wie sich eine Anlage unter längerem Volllastbetrieb verhält, ist schwierig. Ebenso können schwer kalkulierbare Lastzustände erst nach einer langen Betriebszeit oder nach einer eventuellen Erweiterung der Anlage auftreten. Ein Test oder eine genaue Simulation, die diese Szenarien überprüft, sind oftmals aber mit einem zu großen Aufwand verbunden.

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Wer ist im Fehlerfall verantwortlich?

Als vor drei Jahren die Norm IEC 61439 in Kraft trat, waren die Ziele klar formuliert: Der Gesetzgeber wollte eine praktikable Norm schaffen, mit der die Sicherheit beim Betrieb von Schaltgerätekombinationen deutlich gesteigert wird. Zudem sollten auch die Verantwortlichkeiten bezüglich Haftungsfragen deutlicher getrennt werden. Laut IEC61439 wird eine Niederspannungsschaltgerätekombination als in sich geschlossene Black Box verstanden. Für die sichere Funktionsweise zeichnet einzig der Anlagenbauer verantwortlich. Sie lässt sich damit nicht mehr auf die Hersteller einzelner Komponenten rückübertragen. In diesem Zusammenhang sind für Anlagenbauer die geforderten Dokumentationsnachweise zur Wärmeberechnung von entscheidender Bedeutung. Kommt es in Folge einer Fehlfunktion zu Haftungsfragen, kann der verantwortliche Ingenieur über die Dokumentation nachweisen, dass er korrekt gearbeitet hat und der Fehler nicht in seine Zuständigkeit fällt, sondern beispielweise auf unsachgemäßen Betrieb zurückzuführen ist. Dafür müssen Anlagenbauer allerdings sowohl einen exakten Bauart- als auch Stücknachweis der verwendeten Komponenten erbringen.

Automatisierte Berechnungstools: Erste Hilfe für Planer

 Der TemperatureCalculator kann nahtlos an das Materialverwaltungs-Tool MatClass gekoppelt werden. (Bild: AmpereSoft GmbH)

Der TemperatureCalculator kann nahtlos an das Materialverwaltungs-Tool MatClass gekoppelt werden. (Bild: AmpereSoft GmbH)

Systematische Softwarelösungen unterstützen Planer bei der Wärmeberechnung im Schaltschrank, indem sie alle relevanten Variablen in die Berechnung einbeziehen und dadurch den Kalkulationsaufwand signifikant reduzieren. Die nach IEC61439 geforderten Dokumentationsnachweise werden dabei exakt und juristisch einwandfrei erbracht. Dennoch gibt es bei der Wahl einer geeigneten Lösung einige Punkte zu beachten. Nicht alle Lösungen führen zu der gewünschten Effizienzsteigerung. Entscheidend sind dabei zwei Punkte: Planer sollten zunächst sicherstellen, dass das potenzielle System an die Materialdatenbanken der Hersteller gekoppelt ist. Erst damit kann die Lösung automatisiert auf die für die Berechnung benötigen Komponentendaten zurückgreifen. Sollte diese Funktion fehlen, muss der Anlagenbauer die Daten weiterhin unter großem Zeitaufwand manuell eintragen. Zudem sollte die Lösung mit dem genutzten CAD-System kompatibel sein. Erst dadurch ist gewährleistet, dass ein CAD-Projekt ohne Mehraufwand mit dem Tool zur Wärmeberechnung geöffnet und bearbeitet werden kann. Nur wenn diese beiden Voraussetzungen erfüllt sind, erzielen Planer die gewünschte Zeitersparnis und sind in puncto Dokumentationsnachweise auf der sicheren Seite.

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