Wie Europakartentechnik auf moderne Systeme migriert werden kann

Umstieg leicht gemacht

Seit Ende der 70er Jahre werden sogenannte Europakarten als Leiterplatten für elektronische Bauteile eingesetzt. Sie werden in einen Baugruppenträger gesteckt und kommunizieren mit anderen Komponenten über ein Bussystem. Seit etwa 30 Jahren gibt es allerdings vorteilhaftere Lösungen, Leiterplatten mit elektronischen Schaltungen zu montieren, so etwa Hutschienensysteme oder Termination-Board-Lösungen. Zwangsläufig sank im Laufe der Zeit das Angebot an Europakarten, die jedoch nach wie vor als Ersatz oder als Erweiterung benötigt werden. Pepperl+Fuchs stellt nun ein Baukastensystem zur Verfügung, mit dem Migrationsprojekte von Europakarten mit überschaubarem Aufwand durchgeführt werden können.
Bild 1 | Dummy-Bausteine inklusive Vorverdrahtung können als Platzhalter eingesetzt werden.
Bild 1 | Dummy-Bausteine inklusive Vorverdrahtung können als Platzhalter eingesetzt werden. Bild: Pepperl+Fuchs SE

Baugruppenträger sind seit mehr als 40 Jahren in industriellen wie wissenschaftlichen Anwendungen weit verbreitet. Im Metallgehäuse angebrachten Führungsschienen werden bestückte Leiterplatten geschoben, die über eine Steckverbindung an der Rückseite des Rahmens an eine Busplatine oder Backplane angeschlossen sind. So können die Komponenten miteinander kommunizieren und versorgt werden. Üblich sind dabei 19-Zoll-Baugruppenträger für die Aufnahme von Europakarten. Allerdings unterstützen immer weniger Hersteller die Europakartentechnik: Neuere Hutschienen- oder Termination-Board-basierte Systeme ersetzen die vorhandenen Leiterplatten seit vielen Jahren immer häufiger. So werden kaum noch Europakarten nachqualifiziert, sondern bei erforderlichen Änderungen oftmals aus dem Lieferprogramm genommen. Auch Reparaturen sind aufgrund nicht mehr verfügbarer Bauteile meistens nicht mehr möglich. Um die in den Anlagen verbleibenden Europakarten sukzessive durch moderne Systeme ersetzen und dabei die vorhandene Infrastruktur nutzen zu können, hat Pepperl+Fuchs nun Lösungen für Schaltschränke und Baugruppenträger entwickelt.

Optionen für den Wechsel

Bild 2 | Europakarten lassen sich Rack 
für Rack gegen das K-System austauschen
Bild 2 | Europakarten lassen sich Rack für Rack gegen das K-System austauschenBild: Pepperl+Fuchs SE

Sollen Europakarten ersetzt werden, stellt sich zunächst die Frage der Nachfolgetechnologien. Grundsätzlich sind hier auch Remote-I/O-Systeme oder Feldbustechnik denkbar. Bleibt es bei der klassischen Interfacetechnik, kommen beispielsweise das Hutschienen-orientierte K-System oder das Termination-Board-basierte H-System von Pepperl+Fuchs in Betracht. Module des K-Systems werden auf dem sogenannten Power Rail montiert. Es besteht aus einem 35mm-DIN-Rail-Tragschienenprofil mit Einlegeteil und goldbeschichteten Stromschienen. Die Versorgung aller auf der Tragschiene montierten Module erfolgt durch Einspeisebausteine. Das Power Rail übermittelt zudem eine Sammelfehlermeldung. Dabei wird der vom Interfacebaustein erkannte Leitungsfehler über den potentialfreien Kontakt des Einspeisebausteins ausgegeben. Beim H-System werden Termination Boards zur Montage und Versorgung von eigensicheren Trennbarrieren genutzt. Mit den aufgesteckten Trennbarrieren werden sie auf einer 35mm-Hutschiene im Schaltschrank montiert und über Systemstecker an Leitsysteme angebunden. Spezifische Lösungen mit entsprechenden Systemsteckern stehen für viele marktübliche Leitsysteme zur Verfügung. Versionen mit herstellerunabhängigem Design gibt es wahlweise mit Klemmen zur freien Kontaktierung oder mit Sub-D-Steckern für die Anpassung an leitsystemspezifische Kabel.

Austausch à la Carte

Wo dies möglich ist, bietet sich ein kompletter Schaltschranktausch an: Ein neuer, nach Kundenvorgaben aufgebauter und verdrahteter Schaltschrank ersetzt den alten Schrank. Dieser wird im Detail engineered, aufgebaut, verdrahtet und inklusive umfangreicher Projektdokumentation und Stromlaufplänen dem Kunden als Gesamtpaket zur Verfügung gestellt. Im Idealfall müssen kundenseitig nur noch Leitungen auf Übergabeklemmen oder -boards angeschlossen werden. Vorteile dieser Vorgehensweise: Der neue Schaltschrank ist nach aktuellen Richtlinien gestaltet, die eingesetzten Komponenten entsprechen den neuesten Versionen von Richtlinien und Normen. Noch intakte Europakarten stehen als Ersatzteile für den Rest der Anlage zur Verfügung. Ist der Ersatz eines Schaltschranks nicht möglich oder nicht gewollt, bietet sich der Austausch von Baugruppenträgern gegen ein mit dem K-System bestücktes Rack an. Dabei bleiben Grundgerüst und die Infrastruktur wie beispielsweise die Leitungsführung des Schaltschranks erhalten, bauliche Maßnahmen sind nicht erforderlich. Der neue BGT von Pepperl+Fuchs basiert auf den standardisierten mechanischen Abmessungen der 19 Technik: Baubreite: 84 Teilungseinheiten (426mm), Bauhöhe 3 Höheneinheiten (132mm), Bautiefe variabel z.B. 211mm Standard, bis 300mm kundenspezifisch. Er kann nach Kundenvorgaben komplett verdrahtet, mit aktuellen Interface Komponenten bestückt und beschriftet geliefert werden. Die Signalübertragung erfolgt optional über vertikal oder horizontal angeordnete Waben oder Mini-Klemmen. Bestehende Anschlusslitzen können vom Europakarten-Rack gelöst und an die Waben des neuen Baugruppenträgers angeschlossen werden, dadurch bleibt die Leitungsführung im Schaltschrank unverändert. Die Mechanik ist im eingebauten Zustand ausziehbar. So können Komponenten einfach getauscht werden, Messbuchsen sind gut zugänglich. Bei kundenspezifischen Lösungen ist auch eine Teilbestückung mit K-System-Komponenten möglich, Dummy-Bausteine inklusive Vorverdrahtung können als Platzhalter eingesetzt werden. Die Ablösung von Europakarten-Racks kann auf unterschiedliche Arten realisiert werden. Bei der einfachen Hutschienenadaption werden die vorhandenen Baugruppenträger gegen ein Rack mit Hutschiene für K-Systeme ausgetauscht. Diese Ausführung ist nicht kundenspezifisch, kann aber als Basis für kundenspezifische Anforderungen genutzt werden. Standardlösungen sind jeweils mit Schwenkrahmen oder als offenes Gestell realisierbar, in beiden Fällen wahlweise mit Rangierwaben oder Miniklemmen. Darüber sind auf Basis der Standardkomponenten kundenspezifische Lösungen möglich. So sind beispielsweise Projekte mit speziellen Anforderungen an Signalübergabe oder Kabelführung oder auf Basis von Termination-Board-basierten H-System-Geräten erfolgreich umgesetzt worden.

Bild 3 | Die ausziehbare Mechanik erleichtert den Austausch von Trennbausteinen
Bild 3 | Die ausziehbare Mechanik erleichtert den Austausch von Trennbausteinen Bild: Pepperl+Fuchs SE
Video zum Thema nach Scan des QR-Codes: 

tedo.link/ZOrzye
Video zum Thema nach Scan des QR-Codes: tedo.link/ZOrzye

Fazit

Die Zeit der Europakarten ist definitiv vorbei. Längst stehen neue Technologien wie Remote I/O oder Feldbussysteme ebenso zur Ablösung bereit, wie Hutschienen- oder Termination-Board-basierte Interfacebausteine. Dennoch wird es noch viele Jahre dauern, bis die letzten Europakarten aus den Anwendungen verschwunden sind. Die Ablösung wird in der Regel sukzessive erfolgen. Nicht immer werden sich alle Funktionen von Europakarten eins zu eins über Nachfolgetechnologien abbilden. So ist zwangsläufig jede Lösung zur Ablösung der Europakartentechnologie kundenspezifisch. Das Lösungsportfolio mit Standardkomponenten von Pepperl+Fuchs gewährleistet, dass sich solche Migrationsprojekte mit überschaubarem Aufwand realisieren lassen.

Pepperl+Fuchs SE

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