Interview mit Ralph Schmid, Gründer und Geschäftsführer der Firma Wustec

„Den digitalen Workflow neu denken“

Die Firma Wustec aus Dunningen-Seedorf in Baden-Württemberg ist Dienstleister im Bereich der Kabelkonfektionierung. Seit Anfang 2023 gehört das Unternehmen zur weltweit tätigen Komax-Gruppe, einem führenden Anbieter für Maschinen zur automatisierten Kabelkonfektionierung. Im Gespräch erläutert Ralph Schmid unter anderem die Gründe für diesen unternehmerischen Schritt und die größten Herausforderungen seiner Kunden im Schaltschrankbau.
Bild 1 | Für mehr Effizienz in der Fertigung benötigen Schaltanlagenbauer maßgeschneiderte Kabelsätze.
Für mehr Effizienz in der Fertigung benötigen Schaltanlagenbauer maßgeschneiderte Kabelsätze.Bild: Wus-Tec GmbH & Co. KG

Herr Schmid, wie Apple und Microsoft haben Sie vor 23 Jahren Wustec in einer Garage gegründet. Aus welcher Motivation heraus geschah dies?

Ralph Schmid: Ein heftiger Vergleich! Lassen Sie mich Ihnen die Geschichte erzählen. Grundsätzlich wollte ich mich, auch schon in jungen Jahren selbst verwirklichen, nur die zündende Idee hat gefehlt. Als gelernter Anlagenelektroniker bin ich nach mehreren Stationen bei verschiedenen Maschinenbauern, in einem Schaltanlagenbau gelandet. Eines Tages stolperte ich über ein System, mit welchem Drahtlängen berechnet und diese mittels Ink-Jet bedruckt werden konnten. Die Idee war geboren: den Schaltanlagenbau zu revolutionieren. Nach damals wesentlich leichteren Verhandlungen mit der Bank als in heutigen Zeiten, bekam ich im Alter von 24 Jahren einen Kredit für dieses System. Nach nächtelangem tüfteln in der Garage, kam dann auch irgendwann ein Drahtsatz dabei heraus, mit welchem wir tatsächlich die 80 Prozent Zeitersparnis erreichten. Mein damaliger Chef ist noch heute mein Kunde.

Haben sich Ihre Zielgruppen im Laufe der Jahre verändert bzw. erweitert?

Schmid: Ja, im Laufe der Jahre haben wir neue Zielgruppen hinzugewonnen. Grundsätzlich sind es nach wie vor die Maschinen- und Schaltanlagenbauer. Allerdings konnten wir durch unsere Technologie des Vollautomatischen Ultraschallverdichten und Crimpen großer Querschnitte auch im Niederspannungsbereich, d.h. Unterverteilungen, Wallboxen, Baustromverteilern usw. Fuß fassen.

Zu Beginn dieses Jahres haben Sie sich unter das Dach der Komax-Gruppe begeben, die ihrerseits ein breites Hardware- und Software-Angebot zur Kabelkonfektionierung bietet. Warum hat dieser Schritt aus Ihrer Sicht Sinn gemacht?

Schmid: Der Zusammenschluss mit der Komax-Gruppe ermöglicht es Wustec, unser Geschäft sowohl national als auch international auszubauen. Wir haben nun ganz andere Möglichkeiten den digitalen Workflow neu zu denken und eine Entwicklungspower, welche wir allein hätten so nicht stemmen können. Ich denke unsere gemeinsamen Kunden dürfen gespannt sein, was alles in Zukunft Neues kommen wird. Gemeinsam sind wir noch stärker.

Was hat sich für Wustec damit verändert?

Schmid: Klar, organisatorisch war dies ein großer Schritt. Grundsätzlich darf die Wustec allerdings weiterhin Wustec bleiben – mit der nötigen Unterstützung, die wir zuvor allein in dieser Art nicht hatten.

Überspitzt gefragt: Nutzen Schaltschrankbauer, die sich noch nicht zum Kauf einer Komax-Maschine durchringen können, Ihre Dienstleistungen?

Schmid: Ja, ganz klar. Es ist für unsere Kunden nun ein wesentlich kleinerer und leichterer Schritt, sich an das Arbeiten mit bedruckten und vorkonfektionierten Drähten zu ‚wagen‘. Die enormen Einsparpotentiale sind vom ersten Tag an gegeben – völlig ohne Risiko.

Derzeit arbeiten Sie an einer Plattform, die es Schaltschrankbauern ermöglicht, vorgefertigte Drahtsätze digital zu bestellen. Was sind dabei die besonderen Herausforderungen, und wie weit sind Sie mit der Entwicklung?

Schmid: Die Entwicklung einer solchen Plattform stellt uns vor mehrere Herausforderungen. Zum einen müssen wir die unterschiedlichen Anforderungen und Datenformate unserer Kunden berücksichtigen. Dies reicht von einfachen, manuell erstellten Excel-Listen bis hin zu vollständig aufbereiteten Datensätzen über ProPanel. Es ist essenziell, diese Daten für eine optimale Fertigung bei uns zu konvertieren und sie dem Kunden in verschiedenen Bündeloptionen wie Sequenz- oder Rundbündel in der idealen Reihenfolge bereitzustellen. Eine weitere Herausforderung besteht darin, den Bestell- und Lieferprozess so effizient und benutzerfreundlich wie möglich zu gestalten. In Bezug auf die Entwicklung des Wiremasters: Dieses Tool ist seit 2019 in Betrieb und wurde ständig verbessert. Seit Januar 2023 ist der Wiremaster vollständig Cloud-basiert, was den Zugriff und die Nutzung für unsere Kunden erheblich erleichtert. Mit integrierten Funktionen wie dem automatischen Generieren von Bündelroutinen und Bedruckungs-Layouts aus importierten Drahtlisten ist der Wiremaster ein leistungsstarkes Werkzeug für den modernen Schaltschrankbau.

Wie sah bisher der Bestellvorgang aus, und wie lange dauert es derzeit von der Auftragsannahme bis zur Auslieferung der Kabelsätze?

Schmid: Bisher, also vor dem Wiremaster, musste jede erhaltene Datei (meist einfache Excel-Listen) manuell analysiert und auf Plausibilität geprüft werden. Unsere Kunden oder wir mussten zeitaufwendig manuell bündeln, kalkulieren und die Maschinendaten schreiben. Dies war sehr zeitaufwändig und fehleranfällig, was sich auch auf unsere Lieferzeiten auswirkte. Mit dem Wiremaster sind nach einmaligem Mappen die Daten binnen weniger Sekunden verfügbar. Somit sind Durchlaufzeiten von 48 Stunden, bei Expressbestellungen auch in kürzester Zeit, möglich.

Inwieweit hilft Ihnen der verstärkte Gebrauch des digitalen Zwillings im Schaltanlagenbau bzw. die Steigerung der Datenqualität bei der Bearbeitung von Kundenaufträgen?

Schmid: Je präziser die Daten, desto effizienter, sicherer und zügiger die Verarbeitung. Der digitale Zwilling im Schaltanlagenbau bietet unseren Kunden hierbei erhebliche Vorteile. Für jene, die noch nicht alle Engineering-Tools nutzen, bieten wir Alternativen wie DLW an, um uns die erforderlichen Daten bereitzustellen. Langfristig wird die Digitalisierung von Daten unumgänglich sein.

Zählen in erster Linie kleinere Betriebe zu Ihren Kunden?

Schmid: Nicht unbedingt. Wir zählen viele kleine, aber auch große Betriebe zu unseren Kunden. Speziell im Niederspannungsbereich zählen wichtige OEM zu unserer Kundschaft. Die Verringerung der Lagerkosten, das Minimieren des Kupferrisikos und kurze Lieferzeiten, machen unseren Service für jede Betriebsgröße interessant.

Worin sehen Sie derzeit den größten Bedarf bei Ihren Kunden?

Schmid: Effizienz! Der größte Bedarf unserer Kunden liegt in der Effizienzsteigerung, insbesondere in Deutschland. Über die gestiegenen Energie- und Produktionskosten brauchen wir, glaube ich, nicht zu diskutieren. Umso wichtiger ist es für unsere Kunden, weiter ihre Kosten zu reduzieren. Mit einem Einsparpotenzial von bis zu 80 Prozent bei der Verdrahtungszeit, dürfte bei vernünftiger Kalkulation eigentlich niemand mehr ohne vorkonfektioniertem Drahtsatz arbeiten. Im Schaltschrank- und Maschinenbau wie im Verteilerbau gleichermaßen.

In welche Richtung könnte Ihr Serviceangebot künftig weiterentwickelt werden?

Schmid: Wir planen, unsere Unterstützung im Bereich ‚data to wire‘ weiter auszubauen. Auch hardwareseitig wird es Neuerungen geben, aktuelles Beispiel ist das vollautomatische Anbringen von bedruckten Schrumpfschläuchen, mit oder anstatt der Ink-Jet-Beschriftung auf dem Draht. Unsere Service-Plattform Wiremaster entwickelt sich laufend weiter. Deshalb werden wir auch zukünftig unseren Kunden gut zuhören und mit ihnen gemeinsam neue Ideen und Entwicklungen vorantreiben. Bleiben Sie gespannt.

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