„Mehr als ein paar Quadratmeter Blech“

Schaltschränke sind ebenso notwendig wie unscheinbar. Meist fristen sie in irgendwelchen Nischen, Ecken oder Kellern ihr tristes Dasein. Dennoch müssen auch sie mit der Zeit gehen und die grundlegenden und ständigen Veränderungen in der industriellen Arbeitswelt mitbegleiten. Mit Volker Schoch, Vertriebsleiter bei Sedotec, sprechen wir darüber, was ein moderner Schaltschrank heute alles leisten muss.

Herr Schoch, was muss ein moderner Schaltschrank heute können?

Volker Schoch: Da gilt es zunächst einmal, drei Gruppen von Betroffenen zu unterscheiden: Die Anwender, die Elektroplaner und die Schaltanlagenbauer. Jede Gruppe hat ihre eigenen Anforderungen, wobei die der Anwender oder Endkunden sicherlich am schnellsten geschildert werden kann. Der Schaltschrank soll schnell geliefert, aufgebaut und in Betrieb genommen werden und dann möglichst 30 Jahre seine Arbeit machen und darf ansonsten gerne vergessen werden (lacht).

So einfach wird es sich für die zwei anderen Gruppen nicht beantworten lassen. Aber als Vertriebsleiter von Sedotec, ein Unternehmen, das seit mehr als 50 Jahren Schaltschränke und deren Komponenten produziert und 2008 das eigene Schaltanlagensystem Vamocon entwickelt hat, können Sie uns bestimmt alles ganz genau schildern.

Schoch: Ja klar. Sedotec blickt in der Tat auf mehr als 50 Jahre Erfahrung im Schaltschrankbau zurück. Schließlich liegen die Wurzeln ja bei ABB. Heute fertigen wir Komponenten für das MNS-System in seinen zigtausend Variationen und liefern sie in die ganze Welt. Und das ist heute eine der zentralen Anforderungen: Als Hersteller über eine exzellente Logistikkompetenz zu verfügen, die genau das leisten kann. So kommen Sie auch gegenüber Billiganbietern zum Zug.

Da sprechen Sie einen wichtigen Punkt an. Wie gehen Sie mit dem Preisdruck in der Branche um?

Schoch: Nicht der günstigste Anbieter, sondern der flexible und schnelle Anbieter wird sich in Zukunft durchsetzen, weil es für den Schaltanlagenbauer „günstiger“ ist, wenn er den individuell geplanten Schaltschrank schnell bekommt und aufbauen sowie in Betrieb nehmen kann. Und genau da haben wir von Sedotec mit unserem Eigenprodukt Vamocon angesetzt. Wir verstehen uns als Schaltschrank-Systempartner der Elektroindustrie. Unser System ist nicht nur von erfahrenen Praktikern entwickelt, es wird auch hochautomatisiert nach den Lean-Fertigungsprinzipien der Automobilindustrie gefertigt. Unsere besonderen Kompetenzen sind neben der Niederspannungsenergieverteiltechnik besonders die hochautomatisierte Blech- und Kupferbearbeitung in unseren Produktionszentren Ladenburg und Mittweida. Mit dieser Strategie glauben wir, dass unser System die besseren Chancen am Markt hat. Nicht weil wir das können, sondern weil der Markt es so will.

Welche Systemlösungen sind für Schaltanlagenbauer besonders interessant?

Schoch: Nun, da ist in erster Linie die freie Wahl der Schaltgeräte aller gängigen marktpräsenten Hersteller. Als nächstes ein modularer Aufbau, der es dem Planer und Schaltanlagenbauer ermöglicht, unabhängig vom geforderten Schaltgerät die optimale Lösung für den Endkunden zu finden. Die Montage muss heute einfach und zeitsparend sein. Das ermöglichen wir beispielsweise mit vielen Gleichteilen sowie mit wenigen unterschiedlichen Werkzeugen. Es muss praxisnahe Einbaulösungen geben wie beispielsweise ein senkrechtes Leistenfeld mit durchgehender Schottung. Alles muss für Werkstattmitarbeiter und Schaltanlagenmonteure leicht verständlich sein, denn daraus folgt die schnelle Einführung des Systems beim Kunden.

Was ist darüber hinaus wichtig?

Schoch: Besonders wichtig ist die kontinuierliche Weiterentwicklung des Systems entsprechend des technischen Fortschritts, neuer Schaltgeräte und sich ändernder Marktanforderungen, wie man sie gerade im Störlichtbogenschutz beobachten kann. Im direkten Dialog mit unseren Partnern/Kunden entwickeln wir unser System den Marktanforderungen entsprechend ständig weiter.

Und wie ist es mit der Sicherheit?

Schoch: Selbstverständlich müssen Sicherheitsaspekte berücksichtigt sein, was eine normenkonforme Konstruktion und durchgängige Bauartnachweise mit Prüfungen für das System bedeutet. Vor, während und nach dem Aufbau wird heute eine fachkompetente Systembetreuung mit kurzen Reaktionszeiten erwartet. Damit der Schaltschrank tatsächlich, wie am Anfang erwähnt, 30 Jahre klaglos arbeitet, braucht es eine hohe Qualität und Fertigung mit solider Verarbeitung, adäquater Blechstärke, engen Spaltmaßen und so weiter. Der Schaltschrank muss natürlich auch das Einbringen ins Gebäude mitmachen, ohne dass er gleich zusammenfällt. Alles Eigenschaften, die sie fast nur bei Made in Germany bekommen. Und nicht zuletzt ist es auch gut, wenn Aufbau und Arbeit mit einem solchen System Spaß machen und man sich nicht ärgern muss. Sie glauben ja gar nicht, wie wichtig das ist. Wie schnell sagen Mitarbeiter zu ihrem Chef: „So ein Gelump brauchst Du uns nicht mehr anbringen…“. Mit unserem System Vamocon arbeiten die Leute gern, einfach weil alles durchdacht ist. Wir haben da bei der Konstruktion sehr drauf geachtet.

Welchen Vorteil hat es, wenn ihr Kunde bei Sedotec einen Schaltschrank mit Kupferausbau bestellt?

Schoch: Er reduziert zunächst einmal seinen Zeitaufwand beim Aufbau in der Werkstatt, hat kürzere Durchlaufzeiten und deutliche Einsparungen bei der Montage. Außerdem spart er sich die kostspielige Bevorratung von Kupfer in verschiedenen Querschnitten. Was aber viel mehr zählt, sind die Skaleneffekte (economies of scale), die wir mit unserer Fertigung auf hochmodernen Bearbeitungsmaschinen erzielen. Mit diesen Einsparungsmöglichkeiten hat unser Kunde bzw. Partner ja deutliche Kostenvorteile und kann daraus den einen oder anderen Auftrag mehr bekommen. So verstehen wir uns: Wir wollen heute und morgen Partner unserer Kunden sein, der nicht nur Blech bearbeiten und verkaufen will, sondern Material, technische Lösungen und praktische Verbesserungen aus einer Hand bietet. Schließlich ist ein Schaltschrank mehr als ein paar Quadratmeter Blech. Und das erwartet der Markt auch immer mehr. Deshalb sehen wir uns bei Sedotec mit unserem System Vamocon hervorragend aufgestellt.

Welchen Vorteil bietet ein Konfigurator, wie Sie ihn mit Vamocad anbieten?

Schoch: Mit Vamocad bekommen unsere Kunden einen verfügbaren Standard, der leicht zu konfigurieren ist und in der Angebotsphase schnelle, belastbare Ergebnisse bringt. So kann der Schaltanlagenbauer Angebote kompetent an seine Anwender bzw. Endkunden geben.

Können auch Elektroplaner den Konfigurator Vamocad verwenden?

Schoch: Natürlich können auch Elektroplaner das Konfigurationstool für Ausschreibungen nutzen. Wenn sie ihre Anlagen mit Vamocad planen, sehen sie auf den Millimeter genau wie hoch, tief und breit ihre Anlage werden wird. Auf Knopfdruck kommen die Ausschreibungstexte für geplante Anlagen auf den PC. Alle Dokumente sind so gestaltet, dass man sie weiter bearbeiten oder in andere Unterlagen einfügen kann. Viele Schaltanlagenbauer, die im Hochstrombereich besondere Kompetenzen haben, sind unsere gemeinsamen Partner. Ingenieurbüros und Elektroplanern bieten wir besondere Schulungen an und richten ihnen den Zugang zu unserem Partnerbereich mit allen relevanten Planungsunterlagen, Berechnungshilfen, Ausschreibungstexten und Präsentationen ein.

Wie wichtig ist die aktuelle Norm DIN EN 61439 für einen modernen Schaltschrank?

Schoch: Kunden erwarten Produkte, die den neuesten Normen und Sicherheitsanforderungen entsprechen. Vamocon-Niederspannungsschaltanlagen verfügen über Bauartnachweise gemäß der seit 2014 verbindlichen Norm DIN EN 61439 für Schaltgeräte von ABB, Siemens, Schneider Electric, Mitsubishi, Jean Müller, Efen und Wöhner. Geprüft sind Schaltgerätekombinationen bis 5.000 A. Besonders ist darüber hinaus, dass viele Schaltgeräte nahezu den vollen Bemessungsstrom im eingebauten Zustand erreichen. Mit Vamocon lassen sich Geräte exakt dimensionieren. Unsere Kunden müssen nicht in überdimensionierte Leistungsschalter investieren. Für das Vamocon-System werden auch weitere technische Lösungen wie Stromschienenanschlüsse, Überspannungs- und Störlichtbogenschutz sowie Felder mit mehreren eingebauten Geräten getestet. Das alles muss ein modernes Schaltanlagensystem aus unserer Sicht heute leisten.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Schoch: Zum Beispiel, dass Sie mit Ihrer Zeitschrift Schaltschrankbau weiterhin erfolgreich sind. Wir – und da spreche ich auch für viele unserer Kunden und Partner – sind froh, dass es endlich ein solch zielgruppengerechtes Magazin gibt, indem sich Anwender, Elektroplaner, Schaltschrankhersteller und Schaltanlagenbauer hundertprozentig wiederfinden.

 

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