BIM ermöglicht Kollisionsprüfung

BIM ermöglicht Kollisionsprüfung

Interview mit Markus Hettig, Vice President Building Business DACH bei Schneider Electric.

„Die Differenzierung eines Anbieters gegenüber seinen Marktbegleitern besteht am Ende darin, offene Ökosysteme zu schaffen, die interoperabel sind”, zeigt sich Hettig im Interview mit dem SCHALTSCHRANKBAU. (Bild: Schneider Electric GmbH)

Bisher brachte man Building Information Modeling in erster Linie mit den an der Bauplanung und Bauausführung beteiligten Gewerken in Verbindung. Welche Relevanz hat BIM für den Schaltanlagenbau?

Markus Hettig: Bei BIM handelt es sich um ein Lebenszyklusmodell, d.h. es beinhaltet nicht nur Planung, Berechnung und Errichtung eines Gebäudes, es ist viel mehr als das. Für den Schaltanlagenbau ist BIM heute schon bedeutend hinsichtlich der Kollisionsprüfung. Um sicherzustellen, dass eine Schaltanlage auch in den für sie vorgesehenen Raum passt, wäre es sinnvoll, dem für ein Gebäude zuständigen Architekten die Konfiguration der Schaltanlage als 3D-Modell inkl. der Sperrräume zur Verfügung zu stellen, damit dieser sie berücksichtigen kann. Denn die Sperrräume werden bei der Planung häufig vergessen. So gibt es eine Norm, die vorgibt, dass bei geöffneter Schaltschranktür ein Meter Abstand zur Wand vorhanden sein muss. Die Abgleichung eines 3D-Modells des Raums inkl. technischer Gebäudeausrüstung wie Wasserleitungen, Sprinkleranlage, etc. mit einem 3D-Modell der Schaltanlage einschließlich der Sperrräume, würde vor bösen Überraschungen schützen.

Sind auch die in einer Schaltanlage verbauten Komponenten relevant für BIM?

Hettig: Nein, der Schaltanlagenbauer muss nicht jeden in der Anlage verbauten Schalter als BIM-Modell weitergeben, aber er sollte für seinen Kunden die technische Dokumentation und die darin enthaltenen Wartungsvorschriften vorhalten. Hierzu werden wir auf der nächsten Light+Building im März 2020 eine Neuheit vorstellen: das sogenannte Digital Logbook. Hier gibt der Schaltanlagenbauer alle von Schneider Electric in einer Anlage verbauten Geräte ein und erstellt so automatisch eine technische Dokumentation. Diese kann er dann in Form eines QR-Codes ausdrucken und auf seine Schaltanlage kleben. Wenn nun zum Beispiel eine Elektrofachkraft diese technischen Informationen benötigt, scannt sie einfach den QR-Code und erhält so die gesamte Dokumentation der Anlage. Unsere Motivation zur Entwicklung des Digital Logbooks war es einen so genannten Digitalen Zwilling der Schaltanlagen zu erstellen, und damit alle relevanten Informationen von demSchaltplan bis zu den Wartungshinweisen zentral zur Verfügung zu haben. Das Digital Logbook liefert diese Informationen auf Knopfdruck individuell für jede Schaltanlage. Man könnte dieses Konzept dann noch weiter führen und z.B. digitale Wartungs- und Instandhaltungstools einbinden, die einem Wartungstechniker entsprechende Anleitungen geben. Ein solches Angebot muss aber immer skalierbar sein, d.h. wer solche Funktionen nicht nutzen möchte, sollte dafür auch nicht bezahlen müssen.

Grundlage für eine lückenlose und durchgängige Dokumentation wäre doch zunächst einmal ein sauberes, möglichst herstellerübergreifendes Datenformat?

Hettig: Absolut, denn elektrotechnisch gesehen gibt es kaum ein Gebäude, das in Bezug auf die verwendeten Produkte und deren Hersteller als homogene Einheit errichtet wird oder wurde. Hier ist vor allem ein Umdenken der Hersteller gefragt. Die Differenzierung eines Anbieters gegenüber seinen Marktbegleitern besteht am Ende nicht darin, eine Mauer um seine Lösung zu bauen, sondern offene Ökosysteme zu schaffen, die interoperabel sind. Diejenigen, die die saubersten Daten bereitstellen und die innovativsten Produkte auf den Markt bringen, werden sich letztendlich von ihren Wettbewerbern absetzen. Es wird sich also die bessere und nicht die billigere Lösung durchsetzen. So kommen wir als Branche mit Hilfe von Themen wie Digitalisierung oder BIM wieder in die Situation, dass Wertschätzung und Wertschöpfung in ein anderes Licht rücken. Denn heute sollten nicht nur die Bau- sondern auch die Betriebskosten betrachtet werden. Häufig ist es ja so, dass derjenige, der die Baukosten verantwortet, nicht gleichzeitig für die Betriebskosten verantwortlich zeichnet. Aber der Bauherr oder Betreiber muss beides im Blick haben, und wenn man diesem z.B. anhand unseres Building Advisors eine weitsichtige Planung nahe bringen kann, dann ist dies für ihn eine sehr lohnende Investition.

Gibt es denn bereits Projekte, die im Rahmen von BIM realisiert wurden?

Hettig: Ja, die gibt es, diese waren aber bisher noch sehr lückenhaft. Und hier kommen wir wieder auf das Thema Daten zurück: Für eine durchgängige BIM-Planung gibt es heute noch viele benötigte Attribute, die bisher in einem offenen Datenformat nicht existieren. Deswegen gibt es die Initiative von eCl@ss und Building Smart International, die daran arbeitet, zur Beschreibung der Elektrotechnik mit eCl@ss Advanced einen Datenstandard zu etablieren. Ferner gibt es den Richtlinienausschuss VDI 3805 Elektrotechnik/Gebäudeautomation, bei dem ich jetzt den Vorsitz eines Arbeitskreises übernommen habe. Dort beschreiben wir Datenmodelle, die 1:1 in den eCl@ss Advanced-Standard übertragen werden. Es findet also eine wechselseitige Konsolidierung statt, ohne eines der beiden Datenformate komplett aufzugeben. Denn es gibt Software-Anbieter, deren Lösungen auf der VDI 3805-Schnittstelle basieren, und es gibt solche, deren Tools eine eCl@ss Advanced-Schnittstelle bieten. Da wir heute nicht sagen können, wie in zehn Jahren die Software-Landschaft aussehen wird, unterstützen wir diesen offenen Ansatz der wechselseitigen Konsolidierung. (jwz)

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