Effizient entlang der Wertschöpfungskette

 (Bild: WAGO Kontakttechnik GmbH & Co. KG)

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Interview mit Dr.-Ing. Arno Kühn vom Fraunhofer IEM

Die Digitale Transformation braucht Strategie

Welche Schritte in Richtung Digitalisierung müssen zuerst unternommen werden? Wo besteht Optimierungspotential? Wie sehen die Unternehmensprozesse derzeit aus? Ein Gespräch mit Dr.-Ing. Arno Kühn, Leiter der Abteilung Produkt- und Produktionsmanagement am Fraunhofer-Institut für Entwurfstechnik Mechatronik IEM in Paderborn, über Chancen und Risiken, Herausforderungen und Zukunftsvisionen.

Historisch gewachsene Prozesse und Strukturen, demographischer Wandel und die digitale Transformation sind Herausforderungen, die im Zusammenhang mit Industrie 4.0 stehen. Vor welchen
künftigen Herausforderungen stehen speziell mittelständische Schaltschrankbauer?

Arno Kühn: Die Herausforderungen sind vielschichtig. Eine maßgebliche liegt in der kundenindividuellen Fertigung – Stichwort ‘Losgröße I’. Der Kunde möchte dabei so schnell wie möglich seinen Schaltschrank gefertigt bekommen haben. Das setzt bei der Produktion eine hohe Flexibilität bei immer kürzeren Durchlaufzeiten voraus. Nicht einfacher macht es die sich verschärfende Wettbewerbssituation mit dem Ausland, z.B. mit Osteuropa. Mittlerweile ist es für viele Unternehmen nicht unattraktiv, ihre Fertigungen von Schaltschränken verstärkt dorthin zu verlagern. Zu guter Letzt ist der zunehmende Fachkräftemangel ein herausfordernder Faktor: Gegen große Unternehmen mitzuhalten und kompetente Leute an Bord zu holen, ist für kleine und mittlere Schaltschrankbauunternehmen noch schwieriger.

Klingt jetzt aber nicht so, als ob diese Herausforderungen plötzlich um die Ecke kommen …

Kühn: Nein, all das ist innerhalb der Schaltschrankbaubranche wie auch in vielen anderen Industriebereichen nicht neu. Dass deutliche Effizienzsteigerungen notwendig sind, ist klar. Die meisten Unternehmen erhalten seit jeher ihre Wettbewerbsfähigkeit, indem sie ihre Wertschöpfungsprozesse verbessern. Aktuell haben wir noch eine ganze Reihe sehr wettbewerbsfähiger Schaltschrankbauer in Deutschland. Das bedeutet aber nicht, dass die Branche sich auf diesem Erfolg ausruhen sollte. Die digitale Transformation ist ein Wandel, der für Schaltschrankbauer viele Chancen aber auch Herausforderungen bereithält. Es ist also unumgänglich, sich damit zu beschäftigen.

Ein entscheidender Wettbewerbsfaktor betrifft das digitale Engineering. Warum vertrauen noch viele Schaltschrankbauer auf papierbasierte Montagepläne, wenn die Fertigung eines Schaltschrankes ohnehin digital erfolgt?

Kühn: Die Digitalisierung bietet enorme Effizienzpotentiale für den gesamten Wertschöpfungsprozess: Ich halte digitale Informationen über den Schaltschrank vor, um nachgelagerte Prozesse effizienter zu gestalten. Wenn ich eben den Wettlauf um Effizienzpotentiale meinte, sehe ich einen der größten Hebel in der Digitalisierung der Prozesse und der damit verbundenen Automatisierung. Eine Investition in die eigenen Digitalisierungspotentiale ist für Unternehmen also ein elementarer nächster Schritt. Trotzdem zögern viele Betriebe und greifen auf konventionelle Tools zurück. Das liegt oftmals daran, dass ein typischer Schaltschrankbauer mit seiner mittelständisch geprägten Struktur im Arbeitsalltag gefangen ist. Dabei bleibt oft wenig Zeit für strategische Themen.

Wen in einem Unternehmen sehen Sie denn als Treiber einer digitalen Transformation?

Kühn: Ganz entscheidend ist es, dass das Thema mit hundertprozentigem Commitment bei der Geschäftsführung ankommt. Der Weg in die Digitalisierung ist nicht umsonst. Es ist ein Invest in die Zukunft, den man nicht im Kauf eines Werkzeugs oder einer Maschine ausdrücken kann. Es ist ein Invest in Personalaufwände, in die Zusammenarbeit mit Dritten. Ich denke aber auch, dass
im Ökosystem des Schaltschrankbaus alle ein Interesse daran haben, Prozesse möglichst effizient zu gestalten. Schaltschrankbauer können ihre Rolle dadurch stärken – vom Maschinen- und
Anlagenbauer über den Komponentenlieferanten bis hin zum Engineering- und Werkzeuglieferanten.

Wie können eine Produktion vernetzt und die daraus entnehmbaren Daten genutzt werden, um nicht nur einen Produktionsschritt, sondern eine ganze Wertschöpfungskette zu optimieren?

Kühn: Wenn ich möglichst hochautomatisiert fertigen möchte, muss ich diese Informationen frühzeitig bereitstellen. Das kann ich machen, indem ich möglichst früh alle Daten zentral in einem digitalen Modell sammle, um diese in allen nachgelagerten automatisierten Fertigungsprozessen weiter nutzen zu können. Das ist die Idee, wenn man von einem dreidimensionalen Layout spricht. Die Informationsbasis, die ich an dieser Stelle konsistent schaffe, ist der Schlüssel zur Digital Factory. Letztendlich ist es nichts anderes, als einen digitalen Zwilling des Schaltschranks zu erzeugen, der dann später für die gesamte Fertigung, aber auch für den weiteren Betrieb genutzt werden kann.

Wie lange wird der Transformationsprozess dauern, wo stehen wir heute?

Kühn: Wir sprechen von einem digitalen Transformationsprozess – innerhalb dieses Prozesses stehen die meisten Unternehmen gerade noch am Anfang. Es gibt bei sehr vielen Schaltschrankbauern aber bereits Erfahrungen, die ähnliche Transformationsprozesse erzeugt haben. Zum Beispiel die Einführung der Kabelkonfektionierer oder der Bohrautomaten, die bei vielen Schaltschrankbauern schon mehr als zehn Jahre zurückliegt. Der Prozess, der dort gegangen wurde, ist nichts anderes als das, was jetzt auch in anderen Bereichen sukzessive aufgebaut werden muss. Es gibt heute schon Unternehmen, die das digitale Potential sehr weit ausreizen, aber auch solche, die noch wie vor 15 Jahren fertigen – für letztere wird es schwer.

Welche Bedeutung hat diese Entwicklung auf den bestehenden Fachkräftemangel?

Kühn: Der Kompetenzbedarf verschiebt sich in die vorgelagerten Prozesse. Der Anspruch in der Projektierung und in der Konstruktion wächst, weil ein umfangreicherer Teil an Aufgaben dort erledigt werden muss. Projekte müssen viel stärker vorausgedacht und geplant werden als bisher – in diesen Bereichen werden also weitere Arbeitsplätze entstehen. Die dort eingesetzten Fachkräfte sind dann hochqualifiziert und nicht so einfach zu bekommen. Auf der anderen Seite können in der Fertigung ungelernte Fachkräfte mit digitalen Assistenzsystemen unterstützt und so flexibler eingesetzt werden.

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