Ein Ziel, viele Wege

Anteile der Arbeitszeiten der einzelnen Prozessschritte in der Produktion und Fertigung von Schaltschränken. (Bild: Philipp Tempel 2017 / ISW Universität Stuttgart)

Automatisierung in der Produktion

In jedem einzelnen Schritt der tatsächlichen Produktion lassen sich Verbesserungen hinsichtlich der Arbeitszeit, der Qualität und der Kosten durch den konsequenten Einsatz von digitaler Datenverarbeitung und Automatisierung realisieren. Besonders für Hersteller mit einem großen Durchsatz an produzierten Schaltschränken lohnt es sich, große Teile der Produktion zu automatisieren. Die mechanische Vorbereitung der Montageplatten und des Schaltschrankgehäuses kann mit hochwertigen, im Entwicklungsprozess entstandenen 3D-Fertigungsunterlagen in automatisierten Bearbeitungszentren stattfinden. Solche Bearbeitungszentren, wie z.B. die Perforex-Serie von Rittal Automation Systems, sind in der Lage, Löcher, Gewinde und gefräste Ausschnitte in das Gehäuse oder die Montageplatte einzubringen. Die NC-Programme können direkt aus einem CAE-System erzeugt und an die Maschine übergeben werden. Laut Angaben des Herstellers lassen sich so bis zu 85 Prozent der Bearbeitungszeit gegenüber manueller Bearbeitung sparen und der Grad an Präzision der Bohrungen deutlich steigern. Für das Ablängen der Tragschienen und Kabelkanäle kann nach genau demselben Prinzip vorgegangen werden, jedoch ist hier eine Automatisierung in der Praxis eher unüblich. Die Bestückung der Tragschienen mit den elektronischen Komponenten kann mittels einer spezialisierten Anlage bereits vollkommen automatisiert abgebildet werden. Als Grundlage dafür dient eine aus den erstellten Planungsdaten abgeleitete Liste mit den für die jeweilige Tragschiene zu bestückenden Komponenten und deren genauer Reihenfolge. Die Bestückungsanlage hält die Komponenten in speziellen Magazinen vor und kann sie einzeln auf die Tragschiene schieben. Durch solch ein Konzept ließe sich eine Fertigung in Losgröße 1 zu den wirtschaftlichen Konditionen einer Massenfertigung durchführen und durch die höhere Standardisierung und Überwachung der Prozesskette die Zahl der Fehler verringern und die Qualität erhöhen. Auch diese Anlage rentiert sich jedoch erst bei hohen Stückzahlen. Für kleinere Unternehmen kann hier die Überlegung angestellt werden, den Prozess auszulagern, um die Vorteile wahrzunehmen. Bei der Verwendung funktioneller Einheiten könnten diese vorkonfektioniert auf Lager gehalten werden und dann als gebündelte Klemmleisten montiert werden. Hierdurch würde sich eine ähnliche Zeitersparnis einstellen. Die elektrische Verdrahtung der eingebauten Komponenten nimmt laut Herstellern mit 49 Prozent der Fertigungszeit die meiste Zeit bei der Schaltschrankproduktion in Anspruch. Der Stromlaufplan, der dabei am häufigsten eingesetzt wird, ist oft mehrere hundert Seiten lang und es müssen manuell die zu verbindenden Elemente und deren Beschriftung herausgesucht werden. Eine Maßnahme zur Optimierung wäre das Erstellen und Verwenden einer Verdrahtungsliste, welche aus dem CAE-Modell abgeleitet werden kann. Die Verdrahtungsliste liefert Informationen darüber, welche Elemente miteinander verbunden werden sollen, welche Stärke und Farbe der Draht haben soll und wie lang der Draht konfektioniert werden muss. Außerdem lässt sich aus dem Modell der Füllgrad der Kabelkanäle im Schaltschrank berechnen, wodurch diese direkt passend ausgewählt werden können. Ein weiterführender Ansatz ist die komplette Automatisierung der Verdrahtung durch eine entsprechende Anlage. Solch ein Verdrahtungszentrum ist z.B. das Averex von Rittal Automation Systems. Es weist eine Verdrahtungszeit pro Draht von 40 Sekunden auf wohingegen eine manuelle Verdrahtung durchschnittlich 180 Sekunden in Anspruch nimmt. Das Gerät übernimmt die Arbeitsschritte Ablängen, Crimpen, Verlegen der Drähte und Befestigen an den elektronischen Komponenten. Dabei kann zwischen verschiedenen Drahtstärken und Farben gewechselt werden. Als Grundlage dienen die Daten aus dem CAE-Modell welche über einen Laserabtastung um die Montagetoleranzen ergänzt werden. Die Investition in eine vollautomatisiertes Arbeitszentrum lohn sich ab einem Volumen von 150 bis 200 Schaltschränken pro Jahr. Um Fehler in der Steuerungssoftware schon während der Planung und Fertigung auszuschließen wird das CAE-Modell virtuell in Betrieb genommen. Hier gilt, je hochwertiger das erstellte Modell ist, desto eher können Fehler erkannt werden. Eine Möglichkeit, um die Sichtprüfung zu optimieren, ist der Einsatz von Augmented-Reality-Systemen. Dabei werden dem Werker zu prüfende Maße, zu erwartende Spannungen, Start und Ziel von Verdrahtungen und weitere gewünschte Informationen über eine Brille mit integriertem Display eingeblendet. Grundlage hierfür ist wieder ein hochwertiges CAE-Modell, in dem diese Informationen vorliegen. Der große Vorteil liegt darin, das entstandene Fehler möglichst frühzeitig bemerkt werden wodurch die einfacher und günstiger behoben werden können, als wenn dies erst am Ende der Prozesskette geschieht. Vom Institut für Steuerungstechnik befragte Unternehmen berichten nach Einführung dieser Methode von einer Fehlerreduktion um 85 Prozent und einer 37-prozentigen Effizienzsteigerung.

Fazit

Ein wesentliches Ziel im Industrie-4.0-Zeitalter der Digitalisierung ist die Fertigung von Produkten in Losgröße 1 zu den wirtschaftlichen Bedingungen einer Serienproduktion. Dies wird natürlich nur erreicht, wenn der hohe Grad an Automatisierung und Standardisierung realisiert werden kann. In der Schaltschrankproduktion steht dies im Gegensatz zu dem relativ hohen Grad an gewünschter Individualisierung vom Kunden. Jedes fertigende Unternehmen muss also selbst genau analysieren welche Maßnahmen sinnvoll und rentabel sind, um sich so einen Schritt in eine effizienzsteigernde Richtung zu bewegen.

Seiten: 1 2Auf einer Seite lesen

Das könnte Sie auch Interessieren

Bild: Bopla Gehäuse Systeme GmbH
Bild: Bopla Gehäuse Systeme GmbH
Energieketten zum 
Sprechen bringen

Energieketten zum Sprechen bringen

Alles aus einer Hand – mit diesem Wunsch machte sich Tsubaki Kabelschlepp auf die Suche nach einem Anbieter, der mehr als nur das Gehäuse für sein Condition Monitoring System zur Zustandsüberwachung von Energieketten liefern konnte. Mit Bopla Gehäusesysteme wurde ein Partner gefunden, der nicht nur das Gehäuse inklusive Display, Folientastatur und mechanischer Bearbeitung anbieten konnte, sondern auch die Elektronik- und Produktentwicklung sowie die komplette Fertigung inklusive Funktionsprüfung und verkaufsfertiger Verpackung.

Bild: Fraunhofer Institut für Verkehrs- und Infrastruktursystem IVI
Bild: Fraunhofer Institut für Verkehrs- und Infrastruktursystem IVI
Wenn der Standard nicht passt

Wenn der Standard nicht passt

Spezielle Anforderungen erfordern individuelle Lösungen: Für das Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme IVI lieferte die Firma Lm-therm Elektrotechnik eine spezielle Heizlösung, um installierte Kontaktsysteme auch bei Schnee und Frost freizuhalten. Die Lage der Kontaktsysteme verlangte zudem nach einer flexiblen Montagelösung. Die Experten von Lm-therm fanden die richtige Lösung.

Bild: Rittal GmbH & Co. KG
Bild: Rittal GmbH & Co. KG
Hohe Anforderungen 
an den Korrosionsschutz

Hohe Anforderungen an den Korrosionsschutz

Offshore-Windturbinen sind auf hoher See extremen Bedingungen ausgesetzt. Die Anlagen müssen 25 Jahre und mehr zuverlässig den Elementen trotzen. Kein triviales Unterfangen für die eingebaute Technik – und für Systemlieferanten wie Rittal. Das Unternehmen liefert für die derzeit größten und leistungsstärksten Windturbinen die passende Gehäusetechnik – und für viele andere Anwendungen im Bereich Erneuerbare Energien.

Bild: Phoenix Contact
Bild: Phoenix Contact
Die ersten Weichen 
für Gleichstrom sind gestellt

Die ersten Weichen für Gleichstrom sind gestellt

Nach der Gründung der Open Direct Current Alliance (ODCA) Ende letzten Jahres hat die ZVEI-Arbeitsgruppe ihre Arbeit aufgenommen. Ziel der Allianz ist der weltweite Aufbau eines Gleichstrom-Ökosystems und die anwendungsübergreifende Etablierung der Gleichstrom-Technologie. Die ODCA sieht ihre Aufgabe darin, den Transfer von der Theorie in die Praxis zu schaffen. Die Redaktion hat bei einigen Gründungsmitgliedern nachgefragt, welche Motivation und Ziele sie treiben, sich dabei zu engagieren und DC-Technologielösungen zu entwickeln.

Bild: Ormazabal GmbH
Bild: Ormazabal GmbH
„Meilenstein auf dem Weg 
zur Dekarbonisierung der Netze“

„Meilenstein auf dem Weg zur Dekarbonisierung der Netze“

Ormazabal hat seine SF6-freie Technologie auf den Markt gebracht. Die Lösungen für öffentliche Verteilnetze bis 24kV, sbp.zero24 und cgm.zero24, sind vollständig gasisoliert und kommen ohne F-Gas aus. Damit steht die Markteinführung im Einklang mit dem Engagement des Unternehmens für die europäischen Ziele der Klimaneutralität. Im Interview spricht Markus Kiefer, Geschäftsleiter bei Ormazabal, unter anderem über die Besonderheiten der neuen Technologie sowie den Einbezug der Kundenanforderungen bei der Produktentwicklung.

Bild: Schneider Electric GmbH
Bild: Schneider Electric GmbH
Praxiserprobt

Praxiserprobt

Nach erfolgreicher Testphase sind beim Kölner Energieversorger RheinEnergie klimafreundliche Mittelspannungsschaltanlagen Teil des regulären Netzbetriebs. Seit August 2022 arbeitet das Unternehmen mit der RM AirSet von Schneider Electric, einer gasisolierten Ringkabelschaltanlage, die ganz ohne Fluorgase auskommt. Nach erfolgter EU-weiter Ausschreibung hat der Energieversorger unter anderem Schneider Electric mit der Lieferung von weiteren Schaltanlagen dieser Art beauftragt.

Bild: Sedotec GmbH & Co. KG
Bild: Sedotec GmbH & Co. KG
Technische Standards gegen Fachkräftemangel

Technische Standards gegen Fachkräftemangel

Knapp 60 Prozent des Stroms wurden 2023 durch Erneuerbare Energien erzeugt. Weniger als ein Viertel davon durch Photovoltaik. Das könnte viel mehr sein. Der Wille ist auch bei vielen Unternehmen da. Jedoch gibt es neben individuellem „Bastelaufwand“ mit langen Genehmigungsverfahren und schließlich auch durch den Fachkräftemangel große Hürden. Das könnte sich nun ändern. Denn Sedotec schafft mit geprüften Feldtypen eine sichere, schnell zu installierende und nachhaltige Standardlösung zur Einspeisung selbst erzeugter Energie – nicht nur aus der Sonne.