Vor diesem Hintergrund erweist es sich als wichtig, die Potenziale solcher Ansätze für die eigenen Produkte und Lösungen zu analysieren und zielgerichtet einzusetzen. Dazu kann oftmals auf die bereits vorhandene Automatisierungsinfrastruktur zurückgegriffen werden. Aber zunächst gilt es die unscharfen Begrifflichkeiten zu präzisieren. Was genau verbirgt sich hinter dem Begriff Big Data? Das Gabler Wirtschaftslexikon versteht darunter die Speicherung, Verarbeitung und Auswertung großer Datenmengen. In der Vergangenheit ging es vornehmlich darum, die begrenzten Rechen- und Speicherkapazitäten zielgerichtet und effizient zu nutzen. Daten wurden lediglich dann erhoben, wenn sie wirklich notwendig waren. Die Analyse großer Datenbestände zeigt sich darüber hinaus als ein komplexes und langwieriges Unterfangen. Inzwischen sind die Kosten für Speicherplatz und Rechenleistung deutlich gesunken, was neue Formen der Datenverarbeitung möglich macht. Eine solche Technologie stellt das Maschinelle Lernen (ML) als Teilbereich der Künstlichen Intelligenz (KI) dar. In diesem Kontext werden zur Lösung unterschiedlicher Aufgabenstellungen Modelle mit zuvor gesammelten Daten trainiert. Ziel kann es zum Beispiel sein, frühzeitig Anomalien in Produktionssystemen zu entdecken. Dazu wird ein Modell mit fehlerfreien Daten trainiert, um später Abweichungen im Betrieb erkennen zu können. Die Stärke von ML liegt darin, unbekannte Zusammenhänge in den Daten anwendbar zu machen und Prozesse – wie Qualitätskontrollen – zu automatisieren. Als Voraussetzung müssen Datensätze vorliegen, die sich für das Training verwenden lassen.
Verarbeitung in der Cloud oder einem Erweiterungsmodul
In der Praxis findet sich häufig die klassische Automatisierungspyramide mit einer unterlagerten Feld- und nachfolgenden Steuerungsebene. Hier bietet sich eine gute Option, Daten prozessnah zu erfassen. In der Steuerungsebene wertet die SPS die angeschlossenen Sensoren aus und steuert die Aktoren. Insofern beinhaltet die Steuerung die Daten, die für datenintensive Anwendungen wie ML erforderlich sind. Doch meist gestaltet es sich schwierig, an die bestehenden Daten zu kommen. Zum einen sind klassische SPS nicht dafür ausgelegt, große Datenmengen zu archivieren und zu analysieren. Andererseits steuern sie kritische Infrastruktur und integrieren sich deshalb in gesicherte Netze, was den Zugang von außerhalb des Unternehmens erschwert.
In diesem Fall eröffnen moderne Steuerungsplattformen wie PLCnext Technology Vorteile, denn die PLCnext Controls kombinieren eine Echtzeitumgebung mit einem Linux-Betriebssystem. Auf diese Weise lassen sich die herkömmlichen Aufgaben realisieren und zusätzlich neue Anforderungen umsetzen. Beispielsweise verfügt die PLCnext-Steuerung über eine SQLite-Datenbank, die für das lokale Datensammeln eingesetzt werden kann. Interessanter dürfte die Anbindung an eine Cloud oder andere Systeme etwa per MQTT sein. Die Ausführung von ML-Modellen auf der Steuerung respektive einem angekoppelten Erweiterungsmodul lässt sich ebenfalls umsetzen.
Bereitstellung von Funktionsbausteinen und Apps
Ein weiterer Vorteil des offenen Ecosystems PLCnext Technology ergibt sich aus der Bereitstellung von fertigen und teilweise kostenfreien Funktionsbausteinen und Apps im PLCnext Store. Auf dem digitalen Marktplatz können Entwickler Software anbieten und Anwender diese abrufen. Der PLCnext Store umfasst zum Beispiel Connectoren an verschiedene Cloudsysteme oder Bibliotheken zum Anschluss der SPS an gängige Datenbanksysteme. Anwender müssen somit nicht in jedem Projekt bei Null anfangen, sondern können sich ihre Lösung nach dem Baukastenprinzip zusammenstellen. Auch Phoenix Contact nutzt in seinen Fertigungsstätten PLCnext Controls, um Prozessdaten zu erfassen. In der eigenen Leiterkartenproduktion am Standort Bad Pyrmont werden beispielsweise kleine autarke Schaltschränke verwendet, welche die Stromaufnahme der Fertigungsanlagen am Anschlusspunkt überwachen. So lässt sich eine Verletzung der CE-Zertifizierung vermeiden. Bei der Neukonstruktion oder Überarbeitung von Maschinen kann die SPS direkt zur Datensammlung und -weiterleitung eingeplant werden. Das Herzstück der Schaltschränke bilden die PLCnext Controls, welche die Werte über die angebundenen Sensoren aufnehmen und per MQTT an die Streaming-Plattform Apache Kafka senden. Für die langfristige Datenhaltung kommt die auf Zeitreihen spezialisierte Datenbank InfluxDB4 zur Anwendung.
Training von Modellen mit vorhandenen Daten
Nachdem die Daten an zentraler Stelle gebündelt wurden, lassen sie sich auswerten. Unabhängig von neuen Technologien wie ML gewinnt der Anwender bereits hier wertvolle Einblicke. Anhand der Energiedaten lässt sich etwa die Auslastung von Maschinen einfach bestimmen und so erkennen, wo es Optimierungspotenziale gibt. Des Weiteren können die Daten visualisiert und zur Überwachung eingesetzt werden. Die zugrunde liegende Software ist meist kostenfrei erhältlich sowie skalierbar. Zur Realisierung erster Projekte fallen also wenig Aufwand und Kosten an. Für die Visualisierung der Daten steht zum Beispiel das unentgeltliche Tool Grafana zur Verfügung, das ebenfalls Überwachungs- und Benachrichtigungsfunktionen enthält. Haben sich die beschriebenen Prozesse etabliert und sind ausreichend Daten vorhanden, kann das System um ML-Anwendungen erweitert werden, beispielsweise um den aktuellen Zustand einer Maschine zu beurteilen und abzuschätzen, wann die nächste Wartung erfolgen sollte. Doch zuvor gilt es entsprechende Modell mit den vorhandenen Daten zu trainieren. Vereinfacht ausgedrückt besteht das Training darin, dem Modell Eingangs- sowie die gewünschten Ausgangsdaten bereitzustellen. Über die Abweichung zwischen dem tatsächlichen und dem angestrebten Ausgangsverhalten lässt sich das Modell dann anpassen respektive trainieren. Für diesen Prozess hält der PLCnext Store mit dem MLnext Framework ebenso eine kostenfreie Software bereit.
Container zur Integration von Komponenten
Das Training ist ressourcenintensiv und je nach Anwendungsfall bietet sich die Nutzung von Grafikkarten an. Insofern sollten die Modelle mit performanter Hardware erstellt werden. Eine Steuerung kommt dafür nicht in Frage. Bei diesem Gerätetyp hat sich der Leistungsumfang jedoch in letzter Zeit erhöht, sodass die Ausführung von Modellen mit geringeren Ressourcenanforderungen zunehmend realistischer wird. Das setzt allerdings eine entsprechende Architektur voraus, die neben der klassischen Echtzeitumgebung auch die Verwendung anderer Komponenten erlaubt, wie dies beim Linux-Betriebssystem der PLCnext-Geräte der Fall ist. Zur problemlosen Integration neuer und in der Verwaltung existierender Komponenten lassen sich Lösungen wie Docker einsetzen. Diese kapseln einzelne Anwendungen in sogenannten Containern, die einfach administriert und portiert werden können. Die Container respektive Anwendungen starten bei einem Ausfall automatisch neu. Durch den modularen Aufbau kann der Anwender ein bestehendes System leicht erweitern. An dieser Stelle gibt es ebenfalls viele fertige, unentgeltliche Container, die im Docker Hub erhältlich sind. Aufgrund des vorhandenen Linux-Betriebssystems werden derartige Techniken ebenso auf PLCnext-Steuerungen genutzt und haben schon Eingang in die neusten Firmware-Versionen gefunden. Ein MQTT Broker lässt sich zum Beispiel schnell einrichten, indem ein fertiger Container verwendet wird.
Unterstützung durch die Community
Nicht jeder Anwender ist mit den bisher genannten Technologien vertraut. Trotzdem lohnt sich oftmals ein Blick über den Tellerrand, um etwa einen datengetriebenen Mehrwert zu generieren. Außerdem umfasst die Webseite der Austauschplattform PLCnext Community einen eigenen Bereich für Anwendungsbeispiele. Dort sind verschiedene Anleitungen aufgeführt, beispielsweise wie die eingebundene SQLite-Datenbank eingesetzt oder mit Python auf Prozessdaten zugegriffen wird oder wie sich Container nutzen lassen. Sollte der Anwender dennoch Fragen haben, kann er sich an ein Forum wenden, um mit anderen Anwendern und Entwicklern von Phoenix Contact zu sprechen. Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass die Datenerfassung eine wichtige Voraussetzung für die Verwendung neuer Technologien wie ML bildet und auch ohne den späteren Einsatz von KI einen Mehrwert bietet. Für diese Aufgabe eignet sich eine Steuerung gut, weil sie sich nah am Prozess befindet und die Daten ohnehin verarbeitet. Durch moderne Plattformen wie PLCnext Technology und vorgefertigte Komponenten gestaltet sich die Ankopplung an nachgelagerte Systeme – etwa Datenbanken – einfach. Der erste Schritt besteht folglich darin, bestehende Ressourcen nutzbar zu machen oder Systeme entsprechend zu ergänzen. Denn die SPS erweist sich als Wegbereiter für KI.
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