Elektronisches Schutzschaltgerät

Mit dem Sentron ECPD (Electronic Circuit Protection Device) hat Siemens ein neues elektronisches Schutzschaltgerät entwickelt. Es schaltet Stromkreisfehler elektronisch ab und löst bei Bedarf den mechanischen Trennkontakt nachgelagert aus. Bisher wurde das Abschalten rein elektromechanisch gelöst.

Schnelles und verschleißfreies Schalten

Im Vergleich zu elektromechanischen Geräten, schaltet das Sentron ECPD laut Hersteller bis zu eintausend Mal schneller ab. Ermöglicht wird dies durch die verbaute Halbleiter-Technologie. Bild: Siemens AG

Schutzschaltgeräte sind zentraler Bestandteil jeder elektrischen Installation. Werden bestimmte Grenzwerte beim Laststrom überschritten, schalten sie einzelne Verbraucher ab, um Menschen und Anlagen vor Schäden zu bewahren. Bei einem Kurzschluss erfolgt zum Beispiel eine solche Abschaltung in handelsüblichen Leistungsschutzschaltern innerhalb von circa zwei bis drei Millisekunden. Im Vergleich dazu schaltet das Sentron ECPD laut Hersteller bis zu eintausend Mal schneller ab; dadurch wird die auftretende Kurzschlussenergie stark reduziert. Dies sorgt für ein hohes Maß an Sicherheit für Mensch, Anlage und die elektrische Ausrüstung. Das Gerät schaltet hierbei ohne Verschleiß. Der integrierte zyklische Selbsttest (auch der integrierten FI-Funktion) bietet zudem eine erhöhte Sicherheit.

Multifunktional und parametrierbar

Der Funktionsumfang des Schutzgerätes kann nach Bedarf angepasst werden. Es können neue Funktionen aktiviert werden, ohne dass ein neues Gerät gekauft und funktional mit in den Stromkreis integriert werden muss. Dies geschieht z.B. über die Sentron Powerconfig App. Das Gerät lässt sich bedarfsspezifisch einstellen und passt sich der Anforderung der Applikation an – beispielsweise hinsichtlich Nennstrom, Auslösegrenzen oder -verhalten. So können zum Beispiel Schaltkreise einfach nach dem Nennstrom der Verbraucher ausgelegt werden, statt nach den deutlich höheren Einschaltstromspitzen, wie sie etwa bei bestimmten Lasttypen wie LED-Leuchten kurzfristig auftreten. Dies reduziert Komplexität und den Planungs- und Installationsaufwand und spart Material wie zum Beispiel Kupfer ein.

Bild 2 | Werden alle integrierten Funktionen genutzt, ersetzt der Schutzschalter bis zu zehn Geräte. – Bild: Siemens AG

Senkung von Betriebskosten und Ausfallzeiten

Das Gerät bietet durch funkbasierte Kommunikation mit den Gateways Sentron Powercenter 1000 bis 3000 volle Transparenz hinsichtlich der Energieverbräuche im Endstromkreis. Dies ermöglicht Maßnahmen zur Optimierung von Anlagen und Prozessen, unter anderem im Rahmen des betrieblichen Energiemanagements gemäß ISO50001. Ebenfalls möglich ist eine detaillierte Zustandsüberwachung der Applikationen auf Endstromkreis-Ebene. Das trägt zur Steigerung der Verfügbarkeit und der Betriebssicherheit bei. Die Vielzahl von Messdaten ermöglicht die Erkennung von Unregelmäßigkeiten und Abweichungen und schafft eine sichere Planungsbasis für vorbeugende Instandhaltung. Das Sentron ECPD lässt sich hierbei in übergelagerte Systeme durch Verwendung des offenen Modbus TCP-Standards integrieren. Darüber hinaus sind Ferndiagnosen und ein Fernschalten im Normalbetrieb, aber auch im Fehlerfall möglich, was insbesondere bei abgelegenen Applikationen ohne direkte Betreuung vor Ort erhebliche Vorteile bringt. Auch lassen sich Fehler durch die Unterscheidung der Fehlerursache genau lokalisieren und leichter erkennen.

Nachhaltig

Das Schutzgerät vereint zahlreiche Produktfunktionen in einem Gerät. Je nach Applikation sind so laut Siemens Einsparungen von bis zu 80 Prozent Elektronik, 90 Prozent Metall, und 90 Prozent Kunststoff möglich. Insgesamt spare das Neuprodukt rund 90 Prozent an Gewicht ein im Vergleich zu den sonst notwendigen Geräten. Im Vergleich zu Lösungen mit heutiger konventioneller Technik benötige es außerdem bis zu 80 Prozent weniger Platz im Verteilersystem.

Bild 3 | Andreas Matthé präsentiert den Sentron EPCD, der auf der Messe
Light + Building eine Kernkomponente im Siemens-Messeverteiler war. -Bild: TeDo Verlag GmbH

Andreas Matthé, CEO der Geschäftseinheit Electrical Products bei Siemens Smart Infrastructure

Zehn Geräte in einem

Wie kommt es zu dem bis zu tausendmal schnelleren Schalten des Sentron ECPD im Vergleich zu herkömmlichen Geräten?

Andreas Matthé: Die Halbleiter-Technologie ermöglicht ein bis zu tausendmal schnelleres Schalten im Vergleich zu einer elektromechanischen Lösung. Der Halbleiter erkennt durch den Anstieg des Stroms sehr früh, wenn sich ein Kurzschluss anbahnt, und schaltet sofort ab. Bei der Elektromechanik müssten, vereinfacht gesagt, zunächst einmal bestimmte Kräfte auftreten, damit ein Schaltvorgang ausgelöst wird, und in dieser Zeit steigt der Strom auf ein wesentlich höheres Niveau. Die Gefahr für Personal und technische Anlagen ist entsprechend höher. Das verschleißfreie Schalten wird dadurch bedingt, dass die mechanische Trennstrecke durch den Einsatz der Halbleiter-Technologie deutlich geringeren Belastungen ausgesetzt ist als bei einer elektromechanischen Variante. Theoretisch sind mehrere Millionen Schaltvorgänge möglich, bevor das Schaltgerät ausgetauscht werden muss.


Was sind die Vorteile des zyklischen Selbsttests?

Wie beispielsweise bei einem FI-Schutzschalter, muss die Funktionstüchtigkeit eines solchen Schaltgeräts in regelmäßigen Abständen überprüft werden, um sicherzustellen, dass es im Fehlerfall auch auslöst. Der im Gerät integrierte Controller führt diesen Test – neben weiteren sicherheitsrelevanten Prüfungen – nun in regelmäßigen Zyklen selbstständig durch. Die Notwendigkeit zum regelmäßigen manuellen Durchführen von Funktionstests am Gerät kann durch das Sentron ECPD entfallen.

Wie lassen sich die optionalen zusätzlichen Funktionalitäten aktivieren, und welche sind dies genau?

Mit dem Sentron EPCD erhält der Kunde die Funktionalitäten von zehn Schutz- und Schaltgeräten in einem. Die Überwachung von Fehlerstrom und Leitungsschutz (Kurzschluss/Überlast) sind ab Werk aktiviert und können auch nicht deaktiviert werden. Optional lassen sich dann noch weitere Funktionen wie zum Beispiel Überspannung und Unterspannungsauslöser, oder Zeitschaltuhr an- oder abschalten bzw. individuell über die Kommunikationsschnittstelle parametrieren. Neue Funktionalitäten, die wir zukünftig entwickeln, werden dann per Firmware-Download erhältlich sein. Es wird also keine neue Hardware notwendig sein, um diese zu nutzen.

Gibt es bestimmte Anwendungen, für die sich das Sentron EPCD besonders eignet?

Eine Anwendung sehen wir bereits live hier auf der Light + Building, wo es als Komponente in unserem intelligenten Messeverteiler im Einsatz ist. Aktuell detektieren wir einen recht hohen Strombedarf, heute Mittag von knapp 8kW an Leistungsaufnahme. Wir können die einzelnen Strompfade monitoren und sehen, wann wir in den kritischen Bereich kommen. Das Limit haben wir auf 16A eingestellt, und wenn die Stromstärke 12A überschreitet, blinkt die LED des Schalters rot. Dann sehen wir, dass sich der Stromkreis einer kritischen Grenze nähert, und wir diesen beispielsweise nicht noch durch eine weitere Kaffeemaschine belasten sollten. Ein anderes Applikationsgebiet ist die Energieverteilung auf Events, also Konzerte, Volksfeste etc., wo es ja auch äußerst kritisch wäre, wenn dort das Licht ausfiele und dann möglicherweise eine Panik entstünde. Hier können wir rechtzeitig erkennen, ob die Last einigermaßen gleichmäßig verteilt ist.

Zudem sehen wir Anwendungsfälle mit weiteren Monitoring-Funktionen, z.B. bei Kühlaggregaten in Supermärkten. Hier könnte im Falle eines Fehlers eine SMS über die Cloud etwa an den Marktbetreiber geschickt werden, so dass dieser über einen Störfall umgehend informiert wird. Dadurch kann weiterer Schaden vermieden werden. Ferner begleiten wir aktuell ein Parkhausprojekt in München, wo viele LED-Lampen eingesetzt werden. Beim Einschalten der Beleuchtung entsteht ein Peak, der dann schnell wieder abflacht. Durch das Sentron ECPD wird dieser Einschalt-Peak vermieden. Es lassen sich also wesentlich mehr LED-Lampen über einen Kanal betreiben. Das wiederum bedeutet wesentlich weniger Einsatz von Kabeln und Montageaufwand, so dass der Parkhausbetreiber bei diesem Szenario Einsparungen von rund 10 Prozent verzeichnet. Ähnlich sieht es beispielsweise bei Tunnelprojekten ab einer gewissen Größe aus.

Der Schutzschalter kommuniziert funkbasiert mit dem Sentron Powercenter 1000 bis 3000. Ist theoretisch auch eine Kommunikation mit Energiemanagementsystemen von Drittanbietern möglich?

Das Sentron EPCD lässt sich über die Gateways und die Cloud mit unseren Energiemanagement-Systemen verbinden. Auch dies praktizieren wir hier auf der Messe. Die Verbindung läuft über ein offenes Protokoll und ist theoretisch auch mit anderen Energiemanagement-Systemen möglich.


Heutige Hardwarelösungen – wie auch Ihr Sentron EPCD – stellen eine zunehmende Menge an Messdaten zur Verfügung. Inwieweit nutzen Ihre Kunden bereits diese Daten im Rahmen z.B. einer vorbeugenden Instandhaltung? Wie sind hier Ihre Erfahrungen?

Tatsächlich werden die erhobenen Messwerte zunehmend von den Betreibern genutzt. Einmal natürlich im Rahmen der vorbeugenden Instandhaltung. Aber auch im Hinblick auf das Thema Nachhaltigkeit und Energieeffizienz spielen Messdaten eine entscheidende Rolle, da sie erst die Voraussetzung für eine erhöhte Anlagentransparenz schaffen.


Sie haben gerade das Stichwort Nachhaltigkeit erwähnt, die Sie auch in Zusammenhang mit Ihrem neuen Schutzschaltgerät hervorheben. Was macht das Gerät besonders umweltfreundlich?

Die Umweltfreundlichkeit kam vorhin bereits größtenteils zur Sprache: Mit dem Sentron EPCD erhalten Kunden zehn Gerätefunktionalitäten in einem – natürlich immer vorausgesetzt, dass sie auch alle zur Verfügung stehenden Funktionen nutzen. Sie sparen bis zu 90 Prozent an Kunststoffen und bis zu 80 Prozent an Metallen ein. Wenn man bedenkt, dass jedes Gerät einen Eigenverlust an Energie aufweist, ist auch dieser reduziert. Über eine Laufzeit von rund 20 Jahren kommt da eine ganze Menge an Kilowattstunden zusammen. Zudem verwenden wir Kunststoffe mit einem gewissen Recycling-Grad. Wir haben heute ja auch mit dem Sentron ECPD unser neues Siemens EcoTech-Label vorgestellt, für das wir klare Parameter festgelegt haben und mit dem wir quantifizierbare Aussagen über die Nachhaltigkeit unserer Produkte treffen können. Falls Kunden dies wünschen, können die Lösungen auch von externen Stellen hinsichtlich Nachhaltigkeit zertifiziert werden.

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