SF6-freie und digital vernetzte Schaltanlagen mit Shunt-Vakuum-Schaltung

Fit für die Netze der Zukunft

Um den steigenden Stromverbrauch mithilfe von Erneuerbaren Energien zu decken, sind immer mehr Mittelspannungsschaltanlagen im Einsatz. Wollen Netzbetreiber beim Ausbau zugleich den eigenen Klima-Fußabdruck verringern, sind Alternativen zur Verwendung von SF6 gefragt. Die in den Anlagen von Energiespezialist Schneider Electric verwendete Kombination aus reiner Luft und Shunt-Vakuumunterbrechung verbindet klimaschonende Technologie mit intelligenten Komponenten.
Bild: Schneider Electric GmbH
Die RM AirSeT ist für den Einsatz als Ringkabelschaltanlage (RMU) konzipiert. Ab Mitte 2022 wird sie auch in Europa verfügbar sein.
Die RM AirSeT ist für den Einsatz als Ringkabelschaltanlage (RMU) konzipiert. Ab Mitte 2022 wird sie auch in Europa verfügbar sein. Bild: Schneider Electric GmbH

Die Dekarbonisierung hat inzwischen alle Industriezweige erfasst. Auf fossilen Brennstoffen basierende Prozesse werden zunehmend durch elektrische Verfahren ersetzt, sodass der Stromverbrauch steigt – bis 2050 um mehr als 50 Prozent weltweit, wie die Beraterfirma McKinsey erwartet. Das Netz muss diese zusätzliche Last stemmen und zugleich den eigenen Einfluss auf den Klimawandel reduzieren. Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg ist der Umstieg auf SF6-freie Schaltanlagen. SF6 (Schwefelhexafluorid) wird seit den 1960er Jahren als Isoliergas in der Hoch- und Mittelspannung eingesetzt. Als Treibhausgas hat es jedoch den 23.500-fachen Treibhauseffekt (GWP, global warming potential) von CO2 und wird daher zunehmend reglementiert. Zwar gibt es andere Fluoridgase als möglichen Ersatz für SF6, diese bergen jedoch weiterhin Risiken und bedürfen zur Entsorgung einer aufwendigen Wiederaufbereitung. Reine Luft hingegen hat ein GWP von null – und weist dabei sehr gute Eigenschaften für eine nachhaltige Mittelspannungsschaltanlage auf. Wird die Mischung aus ca. 78 Prozent Stickstoff und 21 Prozent Sauerstoff zur Verstärkung der dielektrischen Eigenschaften unter Druck gesetzt, müssen im Vergleich zu einer SF6-isolierten Schaltanlage keinerlei Abstriche in puncto Isolierfähigkeit, Wartungsaufwand oder Leckage-Risiko gemacht werden. Im Fall einer solchen Schaltanlage übernimmt eine Vakuumkammer anstelle von SF6 die Lichtbogenlöschung. In der AirSeT-Reihe von Schneider Electric geschieht dies nicht ausschließlich über einen zusätzlichen Vakuum-Leistungsschalter (VCB), sondern der Strom kann auch im Lasttrennschalter über eine Vakuum-Schaltkammer umgeleitet und dort unterbrochen werden (Shunt-Vakuumunterbrechung). Die aus den SF6-Anlagen bekannte Bedienung des Dreistellungsschalters (von Ein auf Aus, dann von Aus auf Erdung) bleibt damit gleich, sodass die Bediener nicht umgeschult werden müssen. Die Anlage benötigt zudem keinen zusätzlichen Platz für eine weitere Komponente und auch die Vakuumkammer selbst kann kleiner und einfacher ausfallen als bei einem VCB.

Mit Luft statt SF6 Energie verteilen und einspeisen

Soll eine SF6-isolierte Schaltanlage ersetzt werden, gilt es, je nach Einsatzgebiet, bestimmte Kriterien zu beachten. Eine neue, modulare und luftisolierte Schaltanlage zur Sekundärverteilung für Gewerbeimmobilien und Versorgungsunternehmen zum Beispiel darf kaum mehr Platz in Anspruch nehmen als ihre Vorgängerin. Hinzu kommt, dass die neue und möglichst langlebige, Treibhausgas-freie Anlage unkompliziert zu installieren und einfach zu bedienen sein sollte. Ein Beispiel für eine Schaltanlage, die über diese Eigenschaften verfügt, ist das von Schneider Electric seit April 2021 in Europa vertriebene Modell SM AirSeT. Für einen nachhaltigen Betrieb sorgt auch der CompoDrive Antrieb aus belastbaren Verbundmaterialien, der die mechanische Lebensdauer der Anlage erhöht. Eine Einbindung von Schaltanlage und dazugehöriger Sensortechnologie in eine IoT-fähige Lösungsarchitektur wie EcoStruxure macht zudem eine detaillierte Geräteüberwachung sowie vorausschauende Wartungsmaßnahmen möglich. Hinzu kommt eine verbesserte Sicherheit für den Maschinenbediener durch Lichtbogenerkennung sowie die NearbyControl-Funktion: Statt direkt am Gerät zu stehen, kann der Techniker es aus sicherer Entfernung überwachen und bedienen.

Gasisolierung für Umweltresistenz und Wartungsfreiheit

Bild: Schneider Electric GmbH

Eine Ergänzung zu den genannten luftisolierten Schaltanlagen ist die Ringkabelschaltanlage (RMU). Als sekundäre Verteilerschaltanlagen versorgen RMUs zum Beispiel große Industrieanlagen und öffentliche Verteilnetze. Diese Anlagen müssen resistent gegen harsche Umweltbedingungen, zuverlässig und bediensicher sein. Zunehmend gefragt ist außerdem die Option, die Schaltanlage im Rahmen eines Smart Grids zu überwachen und zu steuern. Eine für diesen Aufgabenbereich geeignete Lösung ist die SF6-freie Schaltanlage RM AirSeT von Schneider Electric, die ab Mitte 2022 auf dem europäischen Markt verfügbar ist. Auch sie verwendet die reine-Luft-Technologie in Kombination mit Shunt-Vakuumunterbrechung, ist aber gasisoliert, d.h. sie verkapselt die Komponenten der Schaltung in einem Metallbehälter. Dabei werden die Funktionen und Vorteile herkömmlicher SF6-gasisolierter Mittelspannungsanlagen nicht nur erhalten, sondern erweitert. Dank des belastbaren CompoDrive Antriebs aus Verbundwerkstoffen weist die Schaltanlage eine sehr hohe mechanische Lebensdauer von über 40 Jahren und 10.000 Einsätzen auf. Die Verkapselung bietet zusätzlichen Schutz gegen Feuchtigkeit, Salzwasser und andere raue Bedingungen. Neben Pilotprojekten, wie dem Einsatz einer RM AirSeT Ringkabelschaltanlage (10kV) bei Netze BW, laufen gegenwärtig auch ausführliche Tests unter verschiedenen Belastungsarten in einer Kooperation mit dem französischen Netzbetreiber Enedis. Auch in der primären Energieverteilung kommen Mittelspannungsschaltanlagen zum Einsatz. Geräte für diesen Bereich müssen mit hoher Zuverlässigkeit einen kontinuierlichen Betrieb gewährleisten. Ein Beispiel dafür, dass dies auch ohne SF6 gelingt, ist die GM AirSeT von Schneider Electric, die ebenfalls mit einer gasisolierten Kombination aus reiner Luft und Vakuumtechnologie arbeitet. In Asien ist diese Anlage bereits seit 2021 verfügbar und auf der diesjährigen Hannover Messe wird sie demnächst auch in Deutschland präsentiert. Wie alle AirSeT-Anlagen verfügen RM und GM AirSeT über eine native digitale Anbindung. Feuchtigkeits- und Umgebungssensoren ermöglichen in Kombination mit durchgängiger Datenkommunikation und intelligenten Softwareapplikationen eine vorausschauende Wartung und potentiell die Integration in eine größere, smarte Netzinfrastruktur.

Bild: Schneider Electric GmbH

Fazit: Kombination von Nachhaltigkeit und Digitalisierung ist entscheidend

Der Umstieg auf SF6-freie intelligente Schaltanlagen ist ein wichtiges Element in der Errichtung grüner Energienetze in der Mittelspannung. Mit reiner Luft und Vakuumunterbrechung betriebene Geräte können sowohl Schaltanlagen zur Sekundärverteilung für Industrie und Versorgung ersetzen, als auch gasisolierte Anlagen für Ringkabel-Systeme, beziehungsweise für die primäre Energieverteilung. Dabei muss sich der Techniker nicht an neue Abläufe gewöhnen. Dass die Investition in eine SF6-freie Anlage lohnenswert ist, liegt aber nicht nur an ihrer Nachhaltigkeit, sondern auch an den digitalen Funktionen. Alle Geräte der AirSeT-Reihe erlauben eine detaillierte Überwachung der Anlagen auch aus der Ferne und schaffen eine Grundlage für die Umsetzung vorausschauender Wartungsmaßnahmen. Die Integration der Anlagendaten in ein cloudbasiertes Anlagen- und Netzmanagementsystem ermöglicht eine zusätzliche Optimierung des Netzes. Das rentiert sich schnell, da mehr Betriebssicherheit und Zuverlässigkeit einer intelligenten Anlage laufende und durch Ausfälle oder Reparaturen verursachte Kosten effektiv reduzieren. Routinemäßige Wartungsverfahren entfallen teilweise und Fehler werden identifiziert, isoliert und behoben, bevor sie Schaden anrichten können. So steigen Effizienz und Sicherheit bei sinkendem Ressourcenverbrauch. Zusätzlich lassen sich Informationen über das Netz sammeln und auswerten, um Trends und Best Practices zu ermitteln; weitere Investitionen stehen dann auf einer soliden Basis.

www.schneider-electric.de

Schneider Electric GmbH

Das könnte Sie auch Interessieren

Bild: Phoenix Contact
Bild: Phoenix Contact
Die ersten Weichen 
für Gleichstrom sind gestellt

Die ersten Weichen für Gleichstrom sind gestellt

Nach der Gründung der Open Direct Current Alliance (ODCA) Ende letzten Jahres hat die ZVEI-Arbeitsgruppe ihre Arbeit aufgenommen. Ziel der Allianz ist der weltweite Aufbau eines Gleichstrom-Ökosystems und die anwendungsübergreifende Etablierung der Gleichstrom-Technologie. Die ODCA sieht ihre Aufgabe darin, den Transfer von der Theorie in die Praxis zu schaffen. Die Redaktion hat bei einigen Gründungsmitgliedern nachgefragt, welche Motivation und Ziele sie treiben, sich dabei zu engagieren und DC-Technologielösungen zu entwickeln.

Bild: Ormazabal GmbH
Bild: Ormazabal GmbH
„Meilenstein auf dem Weg 
zur Dekarbonisierung der Netze“

„Meilenstein auf dem Weg zur Dekarbonisierung der Netze“

Ormazabal hat seine SF6-freie Technologie auf den Markt gebracht. Die Lösungen für öffentliche Verteilnetze bis 24kV, sbp.zero24 und cgm.zero24, sind vollständig gasisoliert und kommen ohne F-Gas aus. Damit steht die Markteinführung im Einklang mit dem Engagement des Unternehmens für die europäischen Ziele der Klimaneutralität. Im Interview spricht Markus Kiefer, Geschäftsleiter bei Ormazabal, unter anderem über die Besonderheiten der neuen Technologie sowie den Einbezug der Kundenanforderungen bei der Produktentwicklung.

Bild: Schneider Electric GmbH
Bild: Schneider Electric GmbH
Praxiserprobt

Praxiserprobt

Nach erfolgreicher Testphase sind beim Kölner Energieversorger RheinEnergie klimafreundliche Mittelspannungsschaltanlagen Teil des regulären Netzbetriebs. Seit August 2022 arbeitet das Unternehmen mit der RM AirSet von Schneider Electric, einer gasisolierten Ringkabelschaltanlage, die ganz ohne Fluorgase auskommt. Nach erfolgter EU-weiter Ausschreibung hat der Energieversorger unter anderem Schneider Electric mit der Lieferung von weiteren Schaltanlagen dieser Art beauftragt.

Bild: Sedotec GmbH & Co. KG
Bild: Sedotec GmbH & Co. KG
Technische Standards gegen Fachkräftemangel

Technische Standards gegen Fachkräftemangel

Knapp 60 Prozent des Stroms wurden 2023 durch Erneuerbare Energien erzeugt. Weniger als ein Viertel davon durch Photovoltaik. Das könnte viel mehr sein. Der Wille ist auch bei vielen Unternehmen da. Jedoch gibt es neben individuellem „Bastelaufwand“ mit langen Genehmigungsverfahren und schließlich auch durch den Fachkräftemangel große Hürden. Das könnte sich nun ändern. Denn Sedotec schafft mit geprüften Feldtypen eine sichere, schnell zu installierende und nachhaltige Standardlösung zur Einspeisung selbst erzeugter Energie – nicht nur aus der Sonne.