Maschinen und Anlagen auf dem US-Markt zulassen

Steuerungs- und Schaltanlagen mit UL-Zertifizierung

Maschinen und Anlagen auf dem US-Markt zulassen

Viele deutsche Unternehmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau liefern weltweit in die verschiedensten Märkte. In den meisten Fällen gehört eine Steuerungs- und Schaltanlage, die z.B. Antriebe mit elektrischer Energie versorgt, zum Lieferumfang. Für eine Zulassung in den USA müssen diese die Vorschriften der UL erfüllen – eine Umstellung für Unternehmen, die bisher nur mit den in Deutschland üblichen IEC-Normen gearbeitet haben.

Mit der Version des NEC 2017 ändern sich einige Vorschriften für Schaltanlagen, die nach UL508A zertifiziert werden sollen. Im Bild: Steuerungs-und Schaltanlagenbau bei ATR Industrie-Elektronik in Krefeld. (Bild: Rittal GmbH & Co. KG)

„Andere Länder – andere Sitten“, lautet ein bekanntes Sprichwort. Für den Maschinen- und Anlagebau sollte es aber eher heißen: „Andere Märkte – andere Normen“. Für viele Unternehmen des exportorientierten Maschinen- und Anlagenbaus kommt es irgendwann zu der Entscheidung, auf einem internationalen Markt aktiv zu werden. Gerade in den USA – einem der wichtigsten Zielmärkte für deutsche Unternehmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau – sind einige Besonderheiten zu beachten. Auch wenn seit einigen Jahren versucht wird, die Normen an die weltweit gültigen IEC- und ISO-Standards anzupassen, gibt es für elektrische Anlagen in vielen Bereichen immer noch große Unterschiede. Das gilt auch für die elektrische Ausrüstung von Maschinen und Anlagen und hat damit Auswirkungen auf den klassischen Schaltanlagenbau.

Wenn die Feuerwehr zur Abnahme kommt

Ein wesentlicher Unterschied fällt sofort bei der Inbetriebnahme einer Maschine oder Anlage auf: Diese kann erst erfolgen, wenn eine zuständige Person – der so genannte AHJ (Authority Having Jurisdiction) – sie überprüft und abgenommen hat. Eine Besonderheit liegt darin, dass diese Person nicht unbedingt eine elektrotechnisch ausgebildete Fachkraft sein muss. Je nach lokalen Bestimmungen und in Abhängigkeit vom Bundesstaat bzw. Bezirk kann der AHJ auch der Bürgermeister oder ein Feuerwehrmann sein. Die Einbindung der Feuerwehr bei der Abnahme beruht vor allem darauf, dass in den USA die National Fire Protection Association (NFPA) für die Vorschriften zur Zulassung zuständig ist. Der Brandschutz spielt daher in vielen Fällen im Vergleich zum europäischen Markt eine größere Rolle. Wer in Deutschland mit elektrotechnischen Installationen zu tun hat, muss sich auf jeden Fall mit der Normenreihe VDE 0100 beschäftigen. Das Äquivalent für den US-Markt ist der National Electric Code NEC, der alle wichtigen Regelungen für elektrotechnische Installationen im Niederspannungsbereich umfasst. Der NEC gilt für sehr viele Bereiche von Elektroinstallationen in Wohnungen über allgemeine Gebäudeinstallationen bis hin zu Solaranlagen und – für den Schaltanlagenbau entscheidend – hat auch Gültigkeit für Niederspannungsschaltanlagen im Maschinen- und Anlagenbau. Der aktuelle NEC wird von der NFPA als NFPA 70 veröffentlicht. Die elektrotechnische Ausrüstung von Maschinen wird unter NFPA 79 beschrieben. Die dritte Organisation, die bei der Zulassung von Anlagen in den USA eine Rolle spielt, ist Underwriter Laboratories (UL). Die UL-Normen sind für die verschiedensten industriellen Bereiche gültig. Für den Schaltanlagenbau entscheidend ist die UL508A. Bei der Abnahme einer Schaltanlage ist die Zertifizierung des Schaltschrankes nach UL508A von großem Vorteil. Der AHJ setzt die UL508A-Zertifizierung in der Regel voraus – eine Abnahme ist anderenfalls sehr schwierig.

Die verschiedenen Regelwerke gelten für unterschiedliche Bereiche innerhalb einer Produktionsanlage. (Bild: Rittal GmbH & Co. KG)

Geltungsbereich der unterschiedlichen Vorschriften

Dass die Normen und Vorschriften von drei verschiedenen Organisationen zu berücksichtigen sind, erscheint auf den ersten Blick verwirrend. Entscheidend ist dabei, dass die Zuständigkeitsbereiche unterschiedlich sind: Während sich die UL508A lediglich auf den Schaltschrank bezieht, hat der AHJ bei der Zulassung die gesamte Anlage im Blick und wendet den NEC an, der auch für die Elektroinstallation im Gebäude, in dem die Maschine oder Anlage installiert ist, gilt. Zusätzlich beachtet er auch die Vorgaben der UL508A und NFPA 79. Einige Anforderungen im NEC haben aber auch Auswirkungen auf die UL508A. Ein typisches Beispiel, das auch die Schaltanlagenbauer betrifft, ist die Kurzschlussstromfestigkeit (SCCR – Short Circuit Current Rating). Diese muss in einer Anlage mindestens so groß sein wie das netzseitige SCCR. Für den Schaltanlagenbauer kann dies problematisch sein. Da er häufig nur der Zulieferer für den Maschinenbauer ist, ist ihm der spätere Aufstellort nicht bekannt und er hat keine Informationen über das netzseitige SCCR. Da der Schaltanlagenbauer den richtigen SCCR-Wert nicht festlegen kann, wurde in der Vergangenheit in vielen Fällen ein Wert von 5 kA angesetzt und es dem Installateur vor Ort überlassen, dies durch eine entsprechende Absicherung auf diesen Wert zu realisieren. Da dies gemäß dem aktuellen NEC nicht zulässig ist, kann der AHJ die Inbetriebnahme ohne Nachbesserung verweigern. Wie der Nachweis des SCCR zu erbringen ist, steht im Supplement SB der UL508A. Ähnlich der Regelung in der IEC61439 ist sowohl eine Einzelprüfung als auch ein anerkanntes Nachweisverfahren möglich, das ebenfalls im oben genannten Supplement beschrieben ist. Mit diesem Nachweisverfahren kann sich der Schaltanlagenbauer den hohen Aufwand für eine Einzelprüfung sparen. Voraussetzung ist allerdings, dass alle Systeme und Komponenten entsprechend zertifiziert sind. Um das SCCR einer Schaltanlage mit diesem Nachweisverfahren zu bestimmen, muss der Planer von der Lastseite zum Einspeisepunkt hin alle einzelnen SCCR-Werte von Komponenten und Geräten betrachten. Dazu sind in den Hauptstromkreisen des Schaltschranks die Komponenten oder die geprüften Kombinationen zu ermitteln, die das geringste SCCR aufweisen. Das geringste Einzel-SCCR bestimmt das SCCR des gesamten Schaltschranks (Overall SCCR). In der Regel müssen hierbei nur die Leistungsstromkreise (Power Circuits) betrachtet werden, da bei Steuerstromkreisen meist Transformatoren vorgeschaltet sind.

 Mit dem Rittal Sammelschienensystem RiLine sind Lösungen mit einem SCCR von 65kA problemlos realsierbar. (Bild: Rittal GmbH & Co. KG)

Mit dem Rittal Sammelschienensystem RiLine sind Lösungen mit einem SCCR von 65kA problemlos realsierbar. (Bild: Rittal GmbH & Co. KG)

 

Mit geprüftem Sammelschienensystem auf der sicheren Seite

Die richtige Auswahl von Systemen und Komponenten vereinfacht die Realisierung der Anlage und spart Kosten. So erleichtert die Verwendung eines Sammelschienensystems, das eine UL-Listed-Approbation hat, die Abnahme nach UL508A ganz entscheidend – RiLine 60 von Rittal verfügt über diese Approbation. Verwendet der Schalanlagenbauer dagegen ein System, das lediglich UL-Recognized ist, müssen bei jeder Abnahme noch die Einhaltung der Conditions of Acceptability (CoA) separat überprüft werden. Dies ist nicht nur zeitaufwändig, auch die Kosten steigen. In Bezug auf die Kurzschlussfestigkeit bietet RiLine 60 ebenfalls Vorteile. Das Sammelschienensystem von Rittal hat ein durchgängiges SCCR von 65kA. Während der Planungsphase sollte bereits die Betrachtung des Overall SCCR erfolgen. Da die Auslegung und Kurzschlussstromfestigkeit des Sammelschienensystems durch den Einsatz von RiLine 60 schon erledigt ist, muss der Planer nur noch sicherstellen, dass die auf das Sammelschienensystem montierten Aufbaugeräte, wie Leistungsschalter, Motorschutzschalter usw. ebenfalls ein entsprechendes SCCR aufweisen. Wählt der Planer schon im Vorfeld die passenden Komponenten aus, ist der Nachweis des SCCR vergleichsweise einfach. Mit diesem Vorgehen konstruieren Schaltanlagenbauer sehr einfach und günstig Schaltanlagen mit einem hohen SCCR von 65kA. Die Abnahme durch den AHJ stellt dann kein Problem mehr dar. Auch bei den Zertifizierungen der Schutzarten von Schaltschränken sind wichtige Unterschiede zwischen Europa und dem US-Markt zu beachten. So sind in den UL-Normen stets die Type Ratings von Gehäusen angegeben, statt der in Europa üblichen IP-Schutzarten. Eine UL-Zertifizierung eines Schaltschranks garantiert auch gleichzeitig die Einhaltung des angegebenen Type Ratings. Werden an einem Gehäuse Änderungen vorgenommen – etwa Ausschnitte für Lüfter und andere Komponenten zur Klimatisierung – kann die UL-Zertifizierung ungültig werden. Wenn die eingebauten Komponenten eine FTTA-Zertifizierung haben, können diese ohne erneute Prüfung oder Eintragung im Panel Builder File des Schaltanlagenbauers in den Schaltschrank an- oder eingebaut werden. Diese Zertifizierung reduziert den Aufwand bei der UL-Zulassung der gesamten Schaltanlage enorm und spart Kosten. Die Klimatisierungskomponenten von Rittal, wie etwa Kühlgeräte der Serien Blue e+ und Blue e oder Lüfter sowie Luft-Wasser-Wärmetauscher, verfügen über diese FTTA-Zertifizierung und machen die Zulassung damit einfacher.

Die Kühlgeräte der Serien Blue e+ und Blue e haben eine FTTA-Zertifizierung und machen die Zulassung damit einfacher (Bild: Rittal GmbH & Co. KG)

Fachseminare: Schalt- und Steuerschränke für Nordamerika

Rittal bietet mit RiLine 60 und vielen weiteren Komponenten und Systemen, die UL-Listed sind, nicht nur ein komplettes Portfolio für Schaltanlagen für den nordamerikanischen Markt an. Das Unternehmen veranstaltet auch Fachseminare, mit denen Schaltanlagenbauer sich fit für den aktuellen Stand der Normenlage machen können. Die Fachseminare gehen auf die Normenlage ein und vermitteln Wissen, das die Teilnehmer direkt in der Praxis umsetzen können. Eine der Seminarreihen beschäftigt sich intensiv mit normgerechten Lösungen für die USA und Kanada unter dem Titel „Schalt- und Steuerschränke für Nordamerika: Codes und Standards, Anlagen nach UL508A und NFPA 79“. Die Veranstaltung findet bei Bedarf mehrmals im Jahr statt.

Das könnte Sie auch Interessieren

Bild: ©Bonsales/©Suttipun/stock.adobe.com / Carlo Gavazzi GmbH
Bild: ©Bonsales/©Suttipun/stock.adobe.com / Carlo Gavazzi GmbH
Lösungen für den 
Technologiewandel

Lösungen für den Technologiewandel

Im Rahmen der Energiewende ist es notwendig, die althergebrachte AC-Stromversorgung zu überdenken. Da immer mehr Strom als DC erzeugt, gespeichert und verbraucht wird, liegt es nahe, entsprechende Standards und Komponenten für eine Gleichspannungsversorgung zu entwickeln. So werden neben speziellen Kabeln, Sicherungen, Klemmen, Schaltgeräten und Antriebsystemen auch DC-Messgeräte benötigt, die diesen Anforderungen genügen müssen.

Bild: Sir William Siemens House
Bild: Sir William Siemens House
Aus Berlin 
für Berlin

Aus Berlin für Berlin

Mit dem Lückenschluss der U5 haben die Berliner Verkehrsbetriebe Ende 2020 ihr wichtigstes Großprojekt fertiggestellt. Unsichtbar unter der Erde, aber mit großer Bedeutung für einen sicheren und zuverlässigen U-Bahn Betrieb, steht eine Mittelspannungsschaltanlage von Ritter Starkstromtechnik. Entscheidender Bestandteil darin sind zwölf Leistungsschalter aus dem Siemens-Mittelspannungswerk Berlin.

Bild: Weidmüller GmbH & Co. KG
Bild: Weidmüller GmbH & Co. KG
Neue Wege gehen, 
um wettbewerbsfähig zu bleiben

Neue Wege gehen, um wettbewerbsfähig zu bleiben

„Weidmüller bietet jahrelange Erfahrung im Schaltschrankbau und hat uns umfassend auf Augenhöhe beraten – wir haben nicht nur unseren Horizont erweitert, sondern haben nun einen doppelten Durchsatz mit gleichem Personal.“ Dies sagt Helge Zink, Geschäftsführer bei der Firma Langer E-Technik. Das Ziel von Langer E-Technik, ein Dienstleister für die Errichtung und den Betrieb von elektrischen Anlagen zur Energieverteilung auf Mittel- und Niederspannungsebene, ist es, durch die Zusammenarbeit mit dem Elektro- und Verbindungstechnikunternehmen, die alltägliche Arbeit rund um den Schaltschrank zu vereinfachen.