Investition in die Zukunft

Ab 2020 für öffentliche Neubauten verpflichtend

Investition in die Zukunft

Jetzt wird es ernst: Ab 2020 wird Building Information Modeling (BIM) bei der Vergabe öffentlicher Aufträge für Infrastruktur- und Bauprojekte gesetzlich eingefordert. Grund genug genauer hinzuschauen. Im Interview mit dem SCHALTSCHRANKBAU erläutert Markus Hettig, Vice President Building Business DACH bei Schneider Electric,
welchen Vorteil Schaltanlagenbauer aus BIM ziehen können.

Building Information Modeling – kurz BIM – spart Zeit und Kosten im gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes. (Bild: ©AJ_Watt/gettyimages.de / Schneider Electric GmbH)

BIM spart Zeit und Kosten. Bereits in der Planungsphase eines Gebäudes oder einer Produktionsanlage verringert sich durch den Einsatz von Building Information Modeling die Fehlerquote um 61 Prozent. Während der Bauarbeiten reduzieren sich Korrekturen und Kosten um gut ein Drittel. Ist das Gebäude oder die Anlage dann in Betrieb und wird über mehrere Jahrzehnte gewartet, liegt zu jeder Zeit eine umfassende Dokumentation aller Komponenten und Materialien vor. Fehlerursachen können so problemlos behoben werden, Produktionsausfälle und Flächenleerstände reduzieren sich drastisch. Ein Blick auf die heutige Situation verdeutlicht den Handlungsbedarf: 60 Prozent aller Bauprojekte überschreiten schon in der Planungsphase den Budget- und Terminplan. Während der anschließenden Bauphase entfallen 30 Prozent der Baukosten auf Korrekturen durch Fehlplanung. Im Gebäudemanagement, das sich über den gesamten Lebenszyklus hinwegzieht, sind 55 Prozent aller Instandhaltungsmaßnahmen reaktiv, das heißt, es sind bereits Fehler aufgetreten, die Stillstände, Produktionsausfälle und Kosten verursacht haben, bevor korrigierende Maßnahmen eingeleitet wurden.

BIM kurz erklärt

Building Information Modeling (BIM) ist zunächst eine Methode, die den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes oder einer Anlage digital abbildet. Von der Planung und der Ausführung der Bauarbeiten über die Bewirtschaftung mit Reparaturen und Sanierungen bis hin zum Rückbau oder gar Abriss, sind alle Lebenszyklusphasen eines Gebäudes oder einer Anlage integriert. Das Ergebnis ist ein digitaler Zwilling, dessen DNA aus allen relevanten Informationen, Daten und Werten aller beteiligten Gewerke besteht. Das Besondere daran: eine gemeinsame, einheitliche Datenstruktur, offene Standards und internationale Gültigkeit. BIM-Module gibt es heute in allen gängigen CAD- und anderen Softwareanwendungen. Herzstück ist dabei die bSDD (buildingSMART Data Dictionary), eine von allen Akteuren nutzbare Bibliothek. buildingSMART International setzt als Standardisierungsorganisation für das Bauwesen sowie für Gebäude- und Vermögensanlagen ganz auf offene Standards bei der digitalen Darstellung und dem Austausch von Gebäudedaten. Mit der Bibliothek bSDD stellt die Organisation über einen Webservice weltweit eine Plattform für Normen, Definitionen, Eigenschaften und für eindeutige digitale Identifikationsmerkmale zur Verfügung. Eingebunden in diese Datenbank sind auch die elektronischen Kataloge des international normenkonformen Datenstandards eCl@ss: Branchenübergreifend sind hier Produkte und Dienstleistungen klassifiziert – von der obersten Produktkategorie bis hin zu individuellen technischen Merkblättern. Mehr als 3.500 Unternehmen weltweit setzen den Industriestandard bereits zur Klassifizierung und Beschreibung ihrer Angebote ein. Um die Gebäude und Anlagen hier in den Fokus zu rücken, wurde eigens eine BIM-Taskforce eingerichtet.

Wer setzt die Standards?

Neben weiteren führenden Unternehmen aus der Baubranche sowie Softwareherstellern wie Amperesoft und Zuken, hat sich auch Schneider Electric diesem Expertenkreis angeschlossen. Der Spezialist für Energieverteilung und Gebäudeautomation verfolgt seit Jahrzehnten mit großer Konsequenz die Strategie der offenen Standards und sieht in der Kooperation von eCl@ss und buildingSMART International eine weitere Beschleunigung der digitalen Transformation in der Baubranche und der Industrie. Ein weiterer Player der Taskforce ist der Fachverband Automation + Management für Haus + Gebäude (FV AMG) des VDMA. Und obwohl Verbände und global agierende Unternehmen das Effizienz-Potenzial von BIM besonders in der Betriebsphase von Gebäuden und Anlagen beschwören, ist die Akzeptanz bei Betreibern, Facility Managern und Serviceunternehmen noch verhalten.

Wird BIM schon genutzt?

Diese Zurückhaltung wird von den im Juni vorgestellten Umfrageergebnissen von Price Waterhouse Coopers zum Thema „BIM in der deutschen Bauindustrie“ bestätigt: Ein Viertel der Unternehmen, die bisher noch nicht mit BIM gearbeitet hatten, planen auch nicht, eine BIM-Strategie in Erwägung zu ziehen. Eine grobe Fahrlässigkeit angesichts des immensen Potenzials. Denn Unternehmen verschließen sich mit dieser Haltung künftig nicht nur den Zugang zu Aufträgen aus öffentlicher Hand, sie verspielen auch ihre Wettbewerbsposition, die sie durch den Einsatz von BIM während der Betriebsphase der von ihnen betreuten Gebäude und Anlagen festigen könnten. Anders diejenigen, die BIM bisher mindestens einmal eingesetzt hatten: Alle Befragten hatten entweder schon eine Strategie für die weitere Nutzung entwickelt oder planen diese.

Eine weitere ernüchternde Erkenntnis aus Kundenumfragen von Schneider Electric liegt darin, dass BIM überwiegend immer noch als reines Planungstool verstanden wird. Doch besonders bei der Inbetriebnahme und dem Betreiben bzw. Pflegen des Gebäudebestands oder der Anlagen kann BIM die Effizienz von Serviceleistungen steigern: Wartungs- und Reparaturzeiten verkürzen sich durch eine eindeutige, sofort verfügbare datenbankbasierte und gewerkeübergreifende Dokumentation von Komponenten und Materialien. Stillstandzeiten verringern sich, Produktivität und Rentabilität steigt. Wird das Gebäude oder die Produktionsanlage dann am Ende des Lebenszyklus nach 30 bis 40 Jahren zurückgebaut oder abgerissen, ist BIM selbst für das Abbruchunternehmen von großer Bedeutung: Die Identifizierung von beispielsweise chemischen Zusammensetzungen der Materialien und ihre Entsorgungsvorschriften sind jederzeit verfügbar und – besonders Letztere – immer aktuell. Das vermeidet kostspielige Recherchen und gesetzliche Unsicherheiten. Das effektive Leistungsvermögen von Building Information Modeling ist also neben der Planungs- vor allem in der Betriebsphase für Betreiber, Facility Manager oder auch Abbruchunternehmen ein Ressourcen- und kostensparendes Tool.

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