Beim Vierarmen-Tunnel handelt es sich um ein östlich von Brüssel gelegenes Bauwerk, das den Autobahnring R0 unter der Kreuzung der Nationalstraßen N3 und N227 weiterführt. Der Tunnel ist 540 Meter lang und verfügt über zwei Tunnelschächte mit jeweils zwei Fahrspuren. Eingeweiht in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre stand 2018/2019 eine Modernisierung der Tunnelbeleuchtung an. Insgesamt waren mehr als 1400 Leuchten auszutauschen. Die meisten Autofahrer haben nichts von den Arbeiten gemerkt, denn das Großprojekt wurde akribisch geplant und die Umbauarbeiten nachts bei wenig Verkehr durchgeführt. Durch das Auswechseln der alten Fluoreszenz- und Natriumdampfleuchten gegen LED-Varianten werden nicht nur Energiekosten eingespart. Da die LED-Leuchten eine längere Lebensdauer haben, reduzieren sich der Wartungsaufwand für das Servicepersonal sowie die Verkehrsbehinderungen durch Sperrungen. Außerdem ermöglicht eine innovative Automatisierungslösung die Fernbedienung und -überwachung der Beleuchtung. Das Projekt ist vom Joint Venture VSE-Engie Fabricom umgesetzt worden. Das Gemeinschaftsunternehmen setzte sich aus dem Beleuchtungsspezialisten Schréder, Tein Technology als Lieferant des zentralen Betriebs- und Überwachungssystems sowie Phoenix Contact zusammen, wobei der Automatisierungsexperte das Tunnel-Control-System zur Verfügung stellte und das Plug-and-Play-Konzept realisierte.
LED-Leuchten mit speziellen Linsen
„Jedes Projekt beginnt mit einer Lichtstudie“, erläutert Steven Hulpiau, Key Account Manager Betriebsmittel bei Schréder. „Bei der Einfahrt in den Tunnel wird eine Adaptionsbeleuchtung benötigt, um den Kontrast zum Sonnenlicht außerhalb des Bauwerks zu verringern.“ Beim Vierarmen-Tunnel liegt der Wert bei 300 Candela pro Quadratmeter. Diese Lichtstärke wird durch Nutzung einer TAG-Beleuchtungslösung von Schréder erreicht. Nach der Einfahrt in den Tunnel sinkt die Leuchtdichte allmählich auf den Basiswert von zwölf Candela pro Quadratmeter. In der Nacht beträgt die Leuchtdichte drei Candela pro Quadratmeter. Für die Durchfahrtsbeleuchtung, die sich durch den kompletten Tunnel zieht, sind in diesem Projekt die für Tunnel entwickelten Conti-LED gewählt worden. Steven Hulpiau erzählt: „Weil die Leuchten lediglich an der Seitenwand des Tunnels angebracht werden können, verwenden wir spezielle Linsen, die das Licht zur Seite streuen. Auf diese Weise können wir die erforderliche Helligkeit überall im Tunnel mit einem Minimum an Energie bereitstellen. Eine weitere Einsparung ergibt sich aus der Tatsache, dass sich die Leuchten dimmen lassen.“ Bei diesem Projekt wurde die Elektronik, welche die Beleuchtung steuert und sich normalerweise in der Leuchte befindet, in einer separaten Driver-Box verbaut, die direkt neben der Leuchte montiert ist.
Steuerung der Beleuchtungsstärke
Das Tunnel-Control-System von Phoenix Contact bildet das Kernelement der Lösung. Dabei handelt es sich um einen Schaltschrank mit einer Steuerung sowie digitalen Ein-/Ausgangs- und Kommunikationsmodulen. Wichtiger als die Hardware ist jedoch die von Phoenix Contact konzipierte Software. Mit ihr lassen sich alle Aspekte der Beleuchtung sowie anderer Tunnelfunktionseinheiten – zum Beispiel die Belüftung oder Entwässerung – einfach konfigurieren. „Der Tunnelgrundriss mit seinen verschiedenen Lichtpunkten wird in das Tunnel-Control-System eingegeben“, erklärt Dennis Verhoeven, Infrastruktur-Manager bei Phoenix Contact. „Durch den Tunnel verläuft ein geschlossenes RS422-Netzwerk, das sämtliche Driver-Boxen mit der Steuerung verbindet. Auf der Grundlage vorkonfektionierter Szenarien steuert das System die Beleuchtungsstärke im Tunnel optimal.“ Das Tunnel-Control-System gibt jeder Driver-Box einen Sollwert der gewünschten Beleuchtungsstärke vor. Als Verbindung der LED-Treiber mit dem Steuerungssystem übersetzt das in der Driver-Box installierte Lumgate den Sollwert in ein definiertes Ansteuersignal, welches an die Leuchtentreiber weitergeleitet wird. Bei der Durchfahrtsbeleuchtung im Tunnel sind pro Driver-Box zwölf Leuchten vorgesehen. Für die Adaptionsbeleuchtung an den Tunneleingängen kommt eine Driver-Box für drei Leuchten zum Einsatz. Die Steuerung arbeitet bidirektional, erhält also ebenfalls Rückmeldungen von den Driver-Boxen, beispielsweise Stromwerte, Statusberichte und Warnungen. Wenn die Beleuchtung stark gedimmt werden soll – etwa nachts -, schaltet das Steuerungssystem bestimmte Leuchten aus und dimmt die verbleibenden entsprechend höher. Dadurch wird der Leistungsfaktor optimiert und somit die Blindleistung reduziert. Das erweist sich als energieeffizienter als das fast komplette Herunterdimmen und erhöht zudem die Lebensdauer der Elektronik und Beleuchtung. Auch die Lebensdauer und Verschmutzung der Lichtpunkte werden berücksichtigt, sodass nur so viel Energie verbraucht wird wie benötigt. Ein weiterer Vorteil des RS422-Netzwerks ist, dass zwischen zwei Leuchten jeweils eine Entfernung von bis zu 400 Meter überbrückt werden kann, wodurch sich große Installationslängen ohne zusätzliche Repeater umsetzen lassen.
Überwachung und Bedienung aus der Zentrale
Das Tunnel-Control-System wird über ein Glasfasernetzwerk an die Straßenleitzentrale der flämischen Regierung angebunden. So kann die Beleuchtung des Vierarmen-Tunnels vom zentralen Kontrollraum über das Netzwerk überwacht und bedient werden. Das übergreifende Iris-System wurde 2016 von Tein Technology implementiert. „Die gesamte Technik im Tunnelstraßennetz lässt sich über die Plattform zentral überwachen und steuern“, erläutert Christophe Vandenbossche, Lösungs-Architekt bei Tein Technology. „In diesem Fall haben die Bediener an ihrem Arbeitsplatz über die Iris-Plattform Zugriff auf alle Status- und Diagnosedaten. Die Beleuchtung kann ebenso von hier bedient werden. Das geschieht über vordefinierte Spezialszenarien, die dann in der lokalen Steuerung in konkrete Befehle an die Beleuchtungsmodule übersetzt werden. Die Szenarien lassen sich so automatisch steuern. Falls sich zum Beispiel ein Unfall im Tunnel ereignet, wird die komplette Beleuchtung automatisch auf 100 Prozent gestellt, sofern die Einsatzkräfte vor Ort den Notrufknopf drücken. Solange die Notruftaste aktiv ist, wird die Tunnelbeleuchtung vom Spezialszenario auf einen festen Wert gesteuert. Jeder Abschnitt hat eine eigene Notruftaste. Bei einem Unfall lässt sich folglich speziell dieser betroffene Abschnitt in Gänze erhellen.“
Plug-and-Play-Konzept für eine schnelle Umsetzung
Um die Installation der neuen Beleuchtung reibungslos durchzuführen, arbeiteten die Projektpartner auf Basis eines Plug-and-Play-Konzepts. In diesem Zusammenhang wurden die QPD- und M17-Steckverbinder von Phoenix Contact für die Versorgung und Anbindung der Driver-Boxen und Leuchten ausgewählt. Die Steckverbinder werden auch an den Rapid-Boxen genutzt, die bei einem Unfall die Aufrechterhaltung der Stromversorgung sicherstellen. Diese besondere Verkabelung mit Funktionserhalt widersteht hohen Temperaturen mindestens eine Stunde, sodass die Beleuchtung selbst im Fall eines Brandes funktioniert. Phoenix Contact war ebenfalls für die Vorkonfektionierung der Verkabelung verantwortlich. Jedes Kabel des Tunnelprojekts wurde im Vorfeld zugeschnitten, mit den notwendigen Steckern versehen und beschriftet. Dies dient nicht nur der Zeitersparnis, sondern in erster Linie einer fehlerfreien Installation. Im Vergleich zur herkömmlichen Verbindungsmethode verringerte sich der Zeitbedarf durch die Verwendung der QPD-Steckverbinder und der Vorkonfektionierung um 75 Prozent. Die deutlich kürzere Anschlusszeit hat wiederum die Gesamtinstallationszeit im Tunnel um bis zu 50 Prozent gesenkt. Auch das Tunnel-Control-System trägt zum Plug-and-Play-Konzept bei, weil die Benutzerfreundlichkeit ein wesentlicher Aspekt der Software ist. „Es gibt einen speziellen Inbetriebnahmemodus, in dem das System selbst die Driver-Boxen im Netzwerk sucht und die Adressen zuweist,“ berichtet Bjorn Dotremot von Phoenix Contact. „In dieser Phase werden ebenfalls automatische Tests und Leistungsmessungen ausgeführt, die sich später als Diagnosereferenz nutzen lassen.“
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