Ortsnetzstationen mit intelligenter Fernsteuerung und Fehlerortung

Ortsnetzstationen mit intelligenter Fernsteuerung und Fehlerortung

Vom Piloten zur Serie

Die Auswertung von elektrischen Kenndaten und Fehlermeldungen sowie eine entsprechende Steuerung der Schaltanlagen auch aus der Ferne sind effizient und geben Netzbetreibern ein Maximum an Sicherheit. Auch der Verteilnetzbetreiber Westfalen Weser arbeitet bei seinen rund 7.500 Ortsnetzstationen auf einen hohen Automatisierungsgrad hin. Mit diesem Ziel vor Augen hat das Innovationsmanagement von Westfalen Weser ein Pilotprojekt für den Einsatz einer ersten fernsteuerbaren Ortsnetzstationen initiiert. Ormazabal lieferte dafür die Mittelspannungsschaltanlage und konfigurierte ihre Sekundärtechnik individuell, unter anderem mit Komponenten der Firma Horstmann. Nach der gelungenen Premiere gehen nun 28 weitere Stationen ans Netz.

Ormazabal hat für die erste fernsteuerbare Ortsnetzstation im Netz von Westfalen Weser eine Pilot-Mittelspannungsschaltanlage geliefert. Ihre Sekundärtechnik wurde projektindividuell konfiguriert. (Bild: Westfalen Weser)

Um den effizienten Netzbetrieb unter Einbeziehung erneuerbarer Energien bei gewohnt hoher Versorgungsqualität zu gewährleisten, muss das Netz hinsichtlich seiner „Intelligenz“ optimiert werden. Das heißt: Verteilnetzbetreiber benötigen mehr Möglichkeiten, den Betrieb digital zu verfolgen und remote einzugreifen. Auf der Mittelspannungsebene kommen dafür sogenannte fernsteuerbare Ortsnetzstationen (fONS) zur Anwendung. Solche flächendeckend ins Netz zu integrieren und damit den Automatisierungsgrad anzuheben, hat sich Westfalen Weser zur Aufgabe gemacht. Um diese Entwicklung gut vorzubereiten, hat der kommunale Netzbetreiber zunächst ein Pilotprojekt angestoßen. Gemeinsam mit Ormazabal, schon seit vielen Jahren Lieferant für Mittelspannungsschaltanlagen und Transformatoren für Westfalen Weser, wurde eine passgenau auf die Anforderungen des Netzbetreibers abgestimmte fONS konzipiert.

Viel Technik auf kleinem Raum

Der Fokus lag dabei auf der Sekundärtechnik, die speziell auf die Anforderungen des Netzbetreibers abgestimmt wurde. Sie umfasst Motorsteuerungs- und Messtechnik, eine Fernwirkanlage, eine USV-Anlage, das Netzwerk-Gateway, einen abgeschlossenen geschützten ISMS-Bereich (Information Security Management System) sowie Strom- und Spannungssensoren der Firma Horstmann. „Unsere größte Herausforderung war, diese gesamte Technik in die Anlage zu integrieren und dabei die vorgegebene Einbauhöhe von 1.350mm einzuhalten“, so Michael Hiersemann, für dieses Projekt zuständiger Vertriebsmitarbeiter bei Ormazabal. Während Westfalen Weser die Vorlage für die Pilotanlage lieferte, erstellte Ormazabal auf dessen Basis ein technisches Konzept, das in ständiger Abstimmung immer weiter verfeinert und optimiert wurde – „bis ins kleinste Detail, z.B. die Positionierung der Schalter“, wie Michael Hiersemann ergänzt. Die Pilotanlage wurde schließlich im Sommer 2020 ausgeliefert und unter Supervision von Ormazabal in Betrieb genommen. „Die Station funktioniert einwandfrei, wir sind mit der Qualität sehr zufrieden“, freut sich Timo Busse, Innovationsmanager Intelligente Netztechnik bei Westfalen Weser.

Ormazabal hat den Relaiskasten für die Felder 1 und 2 mit USV-Steuereinheit und Motorsteuerung bestückt, den Relaiskasten für das Feld 3 ebenfalls mit Motorsteuerung und einem Akkumulator. (Bild: Westfalen Weser)

Start der Serienproduktion

Nach dem erfolgreichen Abschluss des Pilotprojektes hat der Fachbereich Intelligente Netztechnik von Westfalen Weser im Rahmen der Netzstrategie 2030 den Rollout von weiteren fONS angeschoben. Ormazabal wurde in einem ersten Schritt mit der Bestückung von insgesamt 28 MS-Schaltanlagen mit der notwendigen Fernwirktechnik für die fONS beauftragt. Diese kommen im Mittelspannungs-Verteilnetz von Westfalen Weser zum Einsatz, die eine Hälfte an Knotenpunkten mit oder ohne Normtrennstellen, die andere an Strecken-Netzstationen mit Normtrennstelle. Ormazabal lieferte dafür jeweils 14 Schaltanlagen des Typs ga3k1ts und weitere 14 des Typs ga2k1ts mit Betriebsspannungen von 10 bzw. 20kV. „In den nächsten zehn Jahren streben wir eine hohe Durchdringung unseres Netzes mit diesen Stationen an. Um Erfahrungen in der Fläche zu sammeln, wird fast jeder unserer 15 Betriebsstellen mindestens eine der neuen Ortsnetzstationen zugewiesen“, erklärt Timo Busse. Westfalen Weser ist hierfür eine Kooperation mit 450connect eingegangen, um die intelligente Technik an ein 450MHz-Funknetz anzubinden und so die höchste Verfügbarkeit gewährleisten zu können.

Partnerschaft mit Zukunft

Aktuell ist eine Vorführanlage für interne und externe Schulungs- und Kommunikationszwecke in Arbeit. Sie wird die gelieferte Station in kompakter Form darstellen, versehen mit Glasgehäuse und Beleuchtung, damit alle Funktionen gut zu sehen und leicht zu erklären sind. „Ormazabal ist sehr erfahren in der Produktion von Mittelspannungsschaltanlagen und arbeitet absolut lösungsorientiert. Das Unternehmen macht für Netzbetreiber wie uns Abweichungen vom Standard möglich und geht individuell auf unsere Anforderungen ein“, schließt Timo Busse. „Die Stationen tragen zu einer Optimierung unseres Netzbetriebs und der Qualitätskennzahlen bei und unterstützen außerdem unser Netzbetriebspersonal im ungestörten und gestörten Betrieb.“

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